Bis Anfang Februar 2021 infizierten sich in Deutschland etwa 2,3 Millionen Menschen mit SARS-CoV-2, ca. 60.000 starben. Gerade für medizinisches Personal sind umfassende Schutzmaßnahmen wichtig, um das Infektionsrisiko zu minimieren.
Infektionswahrscheinlichkeit variiert
Eine Gruppe des Ulmer Universitätsklinikums hat zusammengetragen, wie hoch das Infektionsrisiko für Ärzte, Pflegekräfte oder klinisches Reinigungspersonal ist und wie man sich – zusätzlich zu den Vorgaben des Robert Koch-Instituts (RKI) und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) – schützen kann. Ihre Publikation erschien im Bundesgesundheitsblatt und ist derzeit frei einsehbar.
Gefährdungspotenzial im klinischen Bereich liegt überall dort vor, wo behandelte Patienten infektiös sind, wo mit infektiösem Probenmaterial hantiert wird oder wo Instandhaltungs- und Reinigungsarbeiten zu einem Kontakt führen können. Das Infektionsrisiko steigt mit der Anzahl und der Dauer der ungeschützten Kontakte und hängt vom Tätigkeitsfeld ab.
In den USA gehörten einer Studie zufolge etwa 11 % aller an COVID-19 Erkrankten zum medizinischen Personal. In Deutschland ist die Infektionsrate bei medizinischem Personal verglichen mit der Allgemeinbevölkerung deutlich niedriger als in anderen Ländern. Sie betrug Ende August 2020 etwa 94% der Allgemeinbevölkerung. Zwar sollte medizinisches Personal durch bessere medizinische Vorbildung und entsprechende Schutzmaßnahmen eigentlich (noch) besser gegen Infektionen geschützt sein, es ist allerdings einem Vielfachen an Kontakten und Kontaktzeiten mit COVID-19-Patienten ausgesetzt. Erfreulich: Die Sterblichkeitsrate des medizinischen Personals betrug in Deutschland nur einen Bruchteil der Sterblichkeitsrate der Gesamtbevölkerung (0,2% versus 4% im August 2020). Die Autoren führen das geringe Sterberisiko auf das niedrigere Durchchnittsalter und dem damit verbundenen leichterem Verlaufs von COVID-19 zurück. Außerdem verhindere die sachgerechte Verwendung einer persönlichen Schutzausrüstung eine höhere Viruslast.
Gefährdung bei ungeschütztem medizinischem Personal
Für ungeschütztes medizinisches Personal ist das Risiko, an COVID-19 zu erkranken, je nach Tätigkeitsfeld mit „hoch“ bis „sehr hoch“ einzustufen.
Ein hohes Expositionsrisiko – etwa aufgrund des Kontaktes mit Sekreten, Aerosolen oder Körperflüssigkeiten von COVID-19-Patienten – besteht für Personal von COVID-19-Testcontainern, Notaufnahmen, Intensiv‑/Isolierstationen, Funktions‑/Stationsbereichen mit COVID-19-Patienten sowie für die Anästhesie in Operationseinrichtungen. Für Reinigungsdienste kann in Bereichen der Notaufnahmen, Intensiv- und Infektionsstationen sowie auf Normalstationen mit COVID-19-Patienten ein hohes Expositionsrisiko bestehen, ebenso in Laboren.
Ein geringes Expositionsrisiko hat medizinisches Personal auch ohne spezielle Schutzausrüstung in Bereichen der Patientenversorgung mit bestätigten Non-COVID-19-Patienten, ebenso dann, wenn es keinen Sekreten, Körperflüssigkeiten oder Aerosolen ausgesetzt ist oder generell eine Distanz von 2 m und mehr eingehalten werden kann.
Schutzausrüstung minimiert das Infektionsrisiko
Medizinisches Personal, das im direkten Kontakt zu COVID-19-Patienten steht, müsse konsequent und korrekt eine gefährdungsadaptierte Schutzausrüstung tragen, so die Ulmer Mediziner. Dann sei das Infektionsrisiko für medizinisches Personal als „mittel“ einzustufen.
TOP-Maßnahmen
Die von den Autoren empfohlenen Schutzmaßnahmen gehen über die Empfehlungen des RKI hinaus. Sie umfassen technische, organisatorische und personenbezogene Maßnahmen („TOP“). Dazu gehören zum Beispiel
- Einsatz von Unterdruckverhältnissen zur Unterbindung der SARS-CoV-2-Verteilung über Tröpfen oder Aerosole
- Organisatorische Trennung in COVID- und Non-COVID-Bereiche
- Desinfizieren von Kontaktstellen
- Verwendung persönlicher Schutzausrüstung mit flüssigkeitsdichtem Schutzkittel, Handschuhen und Maske (FFP2 oder mehr, Kopfhaube und geeignete Schutzbrille) bei Tätigkeiten mit starker Aerosolbildung
… schränkt aber auch ein
Die vom RKI und Arbeitsausschüssen beim BMAS empfohlenen FFP2- oder vergleichbaren Masken belasten aufgrund des erhöhten Atemwegswiderstand das respiratorische System.
Beim Tragen infektionshemmender Schutzkleidung ist außerdem der Feuchtigkeitsaustausch mit der Umgebung eingeschränkt. Je nach Umgebungsbedingungen kann dies zu Wärmestau und Dehydrierung führen und stellt vor allem bei körperlich anstrengenden Tätigkeiten wie dem Umlagern von Patienten eine erhöhte Belastung dar.
Hinzu kommt, dass man, wenn man mit Schutzausrüstung am Patienten arbeitet, in dieser Zeit weder trinken oder essen noch die Toilette benutzen kann. Damit einhergehender psychischer Stress – inklusive dem durch Angst- und Stressreaktionen von Patienten und Angehörigen – kann zu Fehlern und damit Eigen- und Fremdgefährdung führen.
Quelle
Die kompletten Maßnahmenempfehlungen sind der Originalpublikation zu entnehmen:
Pfenninger EG, et al. Beurteilung des Infektionsrisikos durch SARS-CoV-2 für medizinisches Personal – Erkenntnisse aus der Praxis. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2021 Jan 26:1-10. doi: 10.1007/s00103-021-03277-1. Online ahead of print.