A(calabrutinib), B(empedoinsäure), C(risaborol): Arzneimittelneuzulassungen 2020

Wie gewohnt fassen wir zum Jahresende die Neuzulassungen auf dem europäischen Arzneimittelmarkt zusammen. Der ersehnte Corona-Durchbruch ist (noch) nicht dabei – zumindest, was die Therapiemöglichkeiten von COVID-19 betrifft. Eine erste Impfung wurde im Schnellverfahren zugelassen.

Corona-Impfung und -Therapie: ja, nein, jein?

2020 drehte sich gefühlt fast alles um potenzielle Impfstoffkandidaten gegen SARS-Cov-2 und mögliche Therapien bei COVID-19. Getestet werden und wurden viele Substanzen (Stand 15.12.2020: 71 Substanzen bei der EMA gemeldet) – wirklich überzeugen konnte bislang kaum ein Medikament.

  • Dexamethason erhielt eine Zulassungserweiterung für die Behandlung von Patienten mit COVID-19, die eine zusätzliche Sauerstoffzufuhr benötigen.
  • Remdesivir erhielt eine bedingte EU-Zulassung. Die Daten wurden in einem außergewöhnlich kurzen Zeitrahmen durch ein rollierendes Überprüfungsverfahren bewertet, ein Verfahren, das die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA bei Notfällen im Bereich der öffentlichen Gesundheit anwenden kann. Es müssen weiterhin Daten zu Wirksamkeit und Sicherheit erhoben und beurteilt werden, darunter endgültige Daten zur Sterblichkeit. Die Weltgesundheitsorganisation WHO rät inzwischen vom Remdesivir-Einsatz ab.

Ebenfalls im Schnellverfahren werden verschiedene Impfungen getestet. Bei der EMA sind bislang vier Anträge eingegangen. BNT162b2 (Comirnaty, BioNTech/Pfizer) wurde noch vor Weihachten zugelassen, für mRNA-1273 (Moderna) wird derzeit der Antrag auf eine bedingte Genehmigung geprüft.

Und was tat sich jenseits von Corona?

Fast könnte man meinen, im „Coronajahr“ 2020 habe sich anderweitig nicht viel getan, doch dem ist mitnichten so. Anderthalb mal so viele neue Arzneimittel wie im Vorjahr empfahl der Ausschuss für Human-Arzneimittel CHMP der EMA 2020 zur Zulassung, darunter

  • 38 neue Arzneimittel (2019: 31),
  • 24 Orphan-Drugs (2019: 10),
  • 12 Biosimilars (2019: 5) und
  • 22 Generika (2019: 20).
  • Hinzu kommen 83 Indikationserweiterungen bestehender Zulassungen (2019: 60).
  • Zurückgezogen wurden 16 Arzneimittel (2019: 12).
  • Für zwei Arzneimittel sprach der CHMP keine Zulassungsempfehlung aus.

Die Gruppe mit den meisten Neuzulassungen war – unabhängig von SARS-CoV2 – die der Infektionskrankheiten, darunter waren verschiedene Impfstoffe gegen Cholera, Ebola, Influenza und Meningokokken (Vaxchora, Zabdeno und Mvabea, Fluad Tetra und Supemtek sowie MenQuadfi).

Unter den zugelassenen Biosimilars sind Bevacizumab (Equidacent, Centus Biotherapeutics), Etanercept (Nepexto, Mylan), Pegfilgrastim (Nyvepria, Pfizer) und Rituximab (Ruxience, Pfizer), empfohlen wurden zudem Adalimumab (Yuflyma, Celltrion) und Insulinaspart (Kixelle, Mylan).

Das bislang teuerste Arzneimittel in der EU ist mit 1,9 Mio Euro (Lauer-Taxe, Stand 15.12.2020) das Gentherapeutikum Zolgensma von Novartis für Kinder mit spinaler Muskelatrophie (SMA).

Die Neuzulassungen im Einzelnen

Atmungssystem

  • Formoterol/Glycopyrroniumbromid/Budesonid (Trixeo Aerosphere, AstraZeneca) zur Erhaltungstherapie bei erwachsenen Patienten mit mittelschwerer bis schwerer chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD)
  • Indacaterol/Glycopyrronium/Mometason (Enerzair Breezhaler, Zimbus Breezhaler, Novartis) zur Erhaltungstherapie bei Asthma bronchiale
  • Indacaterol/Mometason (Atectura Breezhaler und Bemrist Breezhaler, Novartis) zur Erhaltungstherapie bei Asthma bronchiale

Auge

  • Brolucizumab (Beovu, Novartis) zur Therapie der feuchten altersbedingten Makuladegeneration

Blutbildendes System

  • Crizanlizumab (Adakveo, Novartis) zur parenteralen Prävention wiederkehrender venookklusiver Krisen bei Sichelzellenkrankheit
  • Fostamatinib (Tavlesse, Rigel) zur oralen Therapie von Erwachsenen mit chronischer Immunthrombozytopenie (ITP), die auf andere Behandlungen refraktär sind
  • Luspatercept (Reblozyl, Celgene) zur Therapie transfusionsbedürftiger Anämien bei erwachsenen Patienten mit Beta-Thalassämie und bei Patienten mit myelodysplastischen Syndromen mit Ringsideroblasten

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten

  • Bempedoinsäure (Nilemdo, FGK) und Bempedoinsäure in Kombination mit Ezetimib (Nustendi, FGK) bei primärer Hypercholesterinämie oder gemischter Dyslipidämie
  • Elexacaftor in Kombination mit Tezacaftor und Ivacaftor (Kaftrio, Vertex Pharmaceuticals) bei zystischer Fibrose
  • Glucagon (Baqsimi, Eli Lilly) als erstes nicht zu injizierendes Arzneimittel zur Therapie einer schweren Hypoglykämie bei Diabetes-Patienten ab 4 Jahren
  • Givosiran (Givlaari, Alnylam) bei akuter hepatischer Porphyrie (AHP); Orphan-Drug
  • Inclisiran (Leqvio, Novartis) bei primärer Hypercholesterinämie (heterozygot familiär und nicht-familiär) oder gemischter Dyslipidämie als Ergänzung zu einer Diät
  • Insulin lispro (Lyumjev, EliLilly), Insulinanalogon bei Diabetes mellitus
  • Lumasiran (Oxlumo, Alnylam Netherlands) zur Therapie der primären Hyperoxalurie Typ 1 (PH1); Orphan-Drug
  • Osilodrostat (Isturisa, Novartis) für die orale Therapie erwachsener Patienten mit endogenem Cushing-Syndrom
  • Semaglutid (Rybelsus, NovoNordisk) bei Diabetes mellitus Typ 2

Infektionskrankheiten

  • Amikacin (Arikayce liposomal, Insmed) zur Therapie nicht-tuberkulöser mykobakterieller (NTM) Lungeninfektionen, verursacht durch den Mycobacterium avium Complex (MAC)
  • BNT162b2 (Comirnaty, BioNTech/Pfizer), mRNA-Impfstoff gegen COVID-19
  • Bulevirtid (Hepcludex, Myr GmbH) bei chronischer Hepatitis-Delta-Virus (HDV)-Infektion und kompensierter Lebererkrankung
  • Cefiderocol (Fetcroja, Shionogi) zur parenteralen Therapie komplizierter Harnwegsinfektionen mit aeroben gramnegativen Bakterien
  • Delafloxacin (Quofenix, A. Menarini Industrie Farmaceutiche Riunite) zur Therapie akuter bakterieller Haut- und Weichgewebeinfektionen (ABSSSI) bei erwachsenen Patienten
  • Imipenem/Cilastatin/Relebactam (Recarbrio, MSD) zur Therapie Erwachsener mit einer durch aerobe Gram-negative Organismen hervorgerufenen Infektion
  • Impfstoff gegen Cholera (Vaxchora, Emergent Netherlands) zur aktiven Immunisierung Erwachsener und Kindern ab sechs Jahren gegen Erkrankungen, die durch Vibrio cholerae der Serogruppe O1 hervorgerufen werden
  • Impfstoff gegen Ebola-Zaire-Virus (Zabdeno und Mvabea, Janssen-Cilag) für die aktive Immunisierung gegen Ebola
  • Impfstoff gegen Influenza-Viren (Fluad Tetra, Seqirus) zur Grippeprophylaxe bei älteren Personen (ab 65 Jahre)
  • Impfstoff gegen Influenza-Viren (Supemtek, Sanofi Pasteur) zur aktiven Immunisierung zur Prävention einer Influenza
  • Impfstoff gegen Meningokokken der Gruppe A, C, W, Y (MenQuadfi, Sanofi Pasteur) zur aktiven Immunisierung gegen invasive Meningokokken-Erkrankungen
  • Lefamulin (Xenleta, Nabriva), Antibiotikum zur Therapie ambulant erworbener Pneumonien
  • Obiltoxaximab (Obiltoxaximab SFL, SFL Pharmaceuticals) zur Therapie und Postexpositionsprophylaxe bei inhalativem Milzbrand durch Infektion mit Bacillus anthracis
  • Pretomanid (Pretomanid FGK, FGK Representative Service) bei Lungentuberkulose aufgrund mehrfach resistenter Erreger
  • Remdesivir (Veklury, Gilead) zur Therapie einer Coronavirus-Erkrankung 2019 (COVID-19) bei erwachsenen und jugendlichen Patienten (mindestens 12 Jahre alt und mindestens 40 kg Körpergewicht) mit Pneumonie, die eine zusätzliche Sauerstoffzufuhr erfordert (bedingte Zulassung)

Hämatologie/Onkologie

  • Acalabrutinib (Calquence, AstraZeneca) bei nicht vorbehandelten Patienten mit chronischer lympha­tischer Leukämie (CLL)
  • Alpelisib (Piqray, Novartis) in Kombination mit Fulvestrant bei Mammakarzinom
  • Avapritinib (Ayvakyt, Blueprint Medicines) bei gastrointestinalen Stromatumoren (GIST) mit bestimmter Mutation
  • Belantamab-Mafodotin (Blenrep, GSK) bei multiplem Myelom
  • Darolutamid (Nubeqa, Bayer) bei nicht-metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom
  • Entrectinib (Rozlytrek, Roche) bei soliden Tumoren mit NTRK-Fusionen
  • Glasdegib (Daurismo, Pfizer) bei neu diagnostizierter oder sekundärer akuter myeloischer Leukämie (AML)
  • Isatuximab (Sarclisa, Sanofi-Aventis) bei rezidiviertem und refraktärem multiplem Myelom in Kombination mit Pomalidomid und Dexamethason
  • Polatuzumab Vedotin (Polivy, Roche) in Kombination mit Bendamustin und Rituximab für erwachsene Patienten mit rezidiviertem/refraktärem diffusem großen B-Zell-Lymphom, wenn sie keine Kandidaten für eine Stammzelltransplantation sind

Haut

  • Crisaborol (Staquis, Pfizer) als Salbe bei leichter bis mäßig schwerer atopischer Dermatitis

Muskel-Skelett-System und Bindegewebe

  • Filgotinib (Jyseleca, Gilead) bei moderater bis schwerer aktiver rheumatoider Arthritis
  • Upadacitinib (Rinvoq, AbbVie) zur Therapie moderater bis schwerer aktiver rheumatoider Arthritis bei erwachsenen Patienten, als Monotherapie oder in Kombination mit Methotrexat

Nervensystem

  • Bupivacain (Exparel, Pacira Ireland Limited), Lokalanästhetikum zur Plexus-brachialis-Blockade oder Nervus-femoralis-Blockade zur Behandlung postoperativer Schmerzen
  • Onasemnogen abeparvovec (Zolgensma, AveXis, Novartis) bei 5q-assoziierter spinaler Muskelatrophie mit bestimmten Gen-Mutationen
  • Ozanimod (Zeposia, Celgene) bei rezidivierend-remittierender multipler Sklerose (RRMS)
  • Siponimod (Mayzent, Novartis) zur oralen Therapie von erwachsenen Patienten mit sekundär progressiver multipler Sklerose (SPMS)
  • Solriamfetol (Sunosi, Jazz Pharm) zur oralen Therapie bei Erwachsenen mit Narkolepsie und bei Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe (OSA), wenn die exzessive Tagesschläfrigkeit nicht durch die primäre OSA-Therapie erfolgreich behandelt werden konnte

Psychische und Verhaltensstörungen

  • Esketamin (Spravato, Janssen-Cilag) als Nasenspray in Kombination mit einem Serotonin- oder Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI bzw. SNRI) bei erwachsenen Patienten mit behandlungsresistenter Major-Depression

Sonstiges

  • Bupivacain/Meloxicam (Zynrelef, Heron Therapeutics), Kombination aus Lokalanästhetikum und NSAR zur Behandlung somatischer postoperativer Schmerzen
  • Imlifidase (Idefirix, Hansa Biopharma AB) zur Desensibilisierung für eine Nierentransplantation

Zulassung für Anfang 2021 zu erwarten

Für die folgenden Wirkstoffe hat der CHMP bis Dezember 2020 bereits ein positives Votum abgegeben:

  • Baloxavirmarboxil (Xofluza, Roche) zur Behandlung der unkomplizierten Grippe und zur Postexpositionsprophylaxe einer Influenza
  • Brexucabtagen Autoleucel (Tecartus, Kite Pharma), genetisch modifizierte autologe anti-CD19-transduzierten CD3+-Zellen zur Behandlung erwachsener Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem Mantelzell-Lymphom (MCL) (Orphan-Drug)
  • Cabotegravir (Vocabria, ViiV Healthcare), Integrase-Strang-Transfer-Inhibitor (INI) in Kombination mit einer Rilpivirin-Injektion zur Behandlung einer HIV-1-Infektion
  • ErdnusssamenPulver, entfettet (Arachis hypogaea, Palforzia, Aimmune Therapeutics) zur Desensibilisierung bei diagnostisch bestätigter Erdnussallergie
  • Fedratinib (Inrebic, Celgene) zur Behandlung der primären Myelofibrose und der Myelofibrose infolge von Polyzythämie vera oder essentieller Thrombozythämie
  • Fenfluramin (Fintepla, Zogenix ROI Limited), Antiepileptikum als Zusatztherapie zu anderen Antiepileptika bei Patienten ab 2 Jahren mit Krampfanfällen, die im Zusammenhang mit einem Dravet-Syndrom stehen
  • Fostemsavir (Rukobia, ViiV) zur Behandlung von multiresistenten HIV-1-Infektionen
  • Gentherapie mit autologen CD34+-Zellen (Libmeldy, Orchard Therapeutics) für Kinder mit metachromatischer Leukodystrophie (MLD) aufgrund biallelischer Mutationen im Arysulfatase-A-(ARSA-)Gen (Orphan-Drug)
  • Hepatitis-B-Oberflächenantigen (Heplisav B, Dynavax) zur aktiven Immunisierung gegen Hepatitis-B-Virus-Infektionen
  • Kaliumcitrat / Kaliumhydrogencarbonat (Sibnayal, Advicenne) zur Behandlung der distalen renalen tubulären Azidose
  • Latanoprost/Netarsudil (Roclanda, Aerie Pharma­ceuticals) zur Senkung eines erhöhten Augeninnendrucks (IOD) bei erwachsenen Patienten mit primärem Offenwinkelglaukom oder okulärer Hypertension
  • Moxetumomab pasudotox (Lumoxiti, AstraZeneca) bei rezidivierter oder refraktärer Haarzell-Leukämie
  • Pertuzumab/Trastuzumab (Phesgo, Roche) bei erwachsenen Patienten mit HER2-positivem Mammakarzinom
  • Pretomanid (Pretomanid FGK, FGK) zur Behandlung der Tuberkulose mit hochresistenten/extrem resistenten Erregern (XDR-TB)
  • Rilpivirin (Rekambys, Janssen-Cilag) zur Behandlung einer HIV-1-Infektion bei Erwachsenen
  • Selpercatinib (Retsevmo, Eli Lilly) zur Behandlung von Krebserkrankungen, die eine RET-Genfusion aufweisen: RET-Fusions-positives nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom, RET-Fusions-positives Schilddrüsenkarzinom und RET-mutiertes medulläres Schilddrüsenkarzinom
  • Tagraxofusp (Elzonris, Stemline Therapeutics) als Monotherapie für die Erstlinienbehandlung bei erwachsenen Patienten mit blastischer plasmozytoider dendritischer Zellneo­plasie (nach erneuter Überprüfung)
  • Trastuzumab deruxtecan (Enhertu, Daiichi Sankyo) bei metastasiertem HER2-positivem Mammakarzinom (beschleunigtes Bewertungsprogramm)
  • Tucatinib (Tukysa, Seagen) bei HER2-positivem lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Mammakarzinom

Von der Zulassungsempfehlung des CHMP bis zur endgültigen Entscheidung der Europäischen Kommission sowie der Publikation des abschließenden Berichts (European public assessment report, EPAR) geht es selten so schnell wie im Fall von Comirnaty. In der Regel vergehen einige Wochen, sodass die Anzahl der tatsächlich erfolgten EU-Zulassungen in einem Jahr nicht mit der Anzahl der Zulassungsempfehlungen übereinstimmen muss.

Keine Gewähr auf Vollständigkeit.