Corona-Angstartikel für Schwangere

Seit Pandemiebeginn werden die Auswirkungen einer SARS-CoV-2-Infektion auf Schwangere diskutiert. Auch der Spiegel hat dazu einen Beitrag verfasst.

Der Artikel „Wie Corona die Plazenta angreift“ auf spiegel.de erklärt im Vorspann: „Es verdichten sich die Hinweise, dass Covid-19 für Schwangere gefährlicher ist als bislang angenommen. Ärzte fürchten Langzeitfolgen für das Kind.“

Kurz vor der Aboschranke stehen die Zitate

„Als sie uns telefonisch angekündigt wurde, hieß es zunächst, die Frau sei nicht allzu schwer krank.“

und

„Der Notarzt hat es kurz danach kaum noch geschafft, sie lebend zu uns zu bringen“

Im weiteren Text folgen einzelne Beispiele aber kaum Belege für die Aussage des Vorspanns. Dafür aber weitere Zitate wie

„Als ich in ihr Zimmer kam, presste sie gerade ihr totes Baby heraus“

Wie sieht die Datenlage tatsächlich aus?

Was sagt die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe?

Aktuell gibt es keine Hinweise, dass sich Schwangere generell häufiger mit SARS-CoV-2 infizieren. Allerdings müssen Schwangere mit COVID-19 öfter beatmet und intensivmedizinisch versorgt werden. Dies scheint sich jedoch nicht in einer erhöhten Mortalitätsrate im Vergleich zu gleichaltrigen Frauen niederzuschlagen (Risk-Ratio [RR] 0,8; 95%-Konfidenzintervall KI 0,5 – 1,3). Die Todesfälle der Mütter stehen dabei wahrscheinlich mit den üblichen Risikofaktoren von COVID-19 in Zusammenhang.

Eine Häufung von Fehlgeburten gibt es seit Beginn der Pandemie nicht. Allerdings ist fragwürdig, ob die Daten ausreichen, um einen Effekt durch COVID-19 auszuschließen. Pathologische Untersuchungen deuten darauf hin, dass SARS-CoV-2 die Funktion der Plazenta beeinflussen kann, zum Beispiel durch die Bildung von Thromben. Bei mit SARS-CoV-2 infizierten Müttern kommt es häufiger zu Frühgeburten. Allerdings steigt wahrscheinlich nicht die Rate spontaner Frühgeburten, sondern Ärzte holen die Kinder früher, weil sich der Zustand der Mütter verschlechtert.

In zwei aktuellen multinationale Kohortenstudien von Schwangeren mit bestätigter SARS-CoV-2 Infektion liegt die Fehlgeburtenrate bei 2,3 % bzw. 2,2 % [1].

Was sagt das Robert Koch-Institut?

Auch das Robert Koch-Institut (RKI) geht davon aus, dass Schwangere häufiger beatmet und auf eine Intensivstation verlegt werden müssen. Die Verstärkung der Blutgerinnung durch die Virusinfektion soll besonders beachtet werden. Ansonsten gibt das RKI keinerlei besondere Warnungen an Schwangere oder Verhaltensempfehlungen. Über die Möglichkeit von Langzeitfolgen für das Kind einer infizierten Schwangeren können aktuell keine Aussagen gemacht werden. Das RKI hält es jedoch für plausibel, dass zum Beispiel hohes Fieber im ersten Trimenon das Risiko für Fehlbildungen erhöht [2].

Kommentar

Ich komme zum gleichen Schluss wie der Spiegelartikel: Schwangere sollten vermeiden, sich anzustecken, Panik ist nicht angebracht. Vorsicht aber sehr wohl. Nicht einverstanden bin ich mit dem Anfang des Artikels, der impliziert, das Virus töte teils unbemerkt gerade eine ganze Generation oder führe zumindest zu zahlreichen Spätfolgen. Dafür gibt es keine Daten. Der einzige Grund für diesen Einstieg ist, verängstigte Mütter dazu zu bringen, ein Abo abzuschließen.

Mit einem Vorspann Interesse wecken zu wollen, ist nicht verwerflich. Aber hier hat die Autorin aus meiner Sicht eine Grenze überschritten. Die Auswirkungen eines derartig reißerisch geschriebenen Artikels sollte man nicht unterschätzen. Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe weist in ihrem Papier bereits auf die psychosoziale Belastung von Schwangeren durch die Pandemie hin.

Quellen

  1. Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe: Empfehlungen zu SARS-CoV-2/COVID-19 in Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. Update Oktober 2020.
  2. Robert Koch-Institut: SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19).