Pharmakotherapie der Hypertonie: 7 Empfehlungen die jeder Arzt und Apotheker kennen sollte

Gefühlt wird jedem Hypertoniker ein Betablocker verordnet. Dabei empfiehlt die europäische Leitlinie diese Substanzklasse gar nicht als Teil der bevorzugten initialen Standardtherapie. Trotzdem ist die Verordnung meistens korrekt.

ESC-Leitlinie

Spezialisten wie Kardiologen kennen sicher die aktuellen Empfehlungen der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC). Doch weltweit sind 30% der Erwachsenen an Bluthochdruck erkrankt. Daher hat zwangsläufig jeder Arzt und Apotheker Kontakt mit diesen Patienten und ihrer Medikation.

1. Wann sollte eine medikamentöse Therapie begonnen werden?

Bei Patienten mit Hypertonie Grad 2 (160–179/100–109 mmHg) oder Grad 3 (≥ 180/110 mmHg) wird auf jeder Stufe des kardiovaskulären Risikos empfohlen, sofort mit der Blutdruck-senkenden Therapie zu beginnen, gleichzeitig mit der Einleitung von Lebensstil-Interventionen.

Bei einer Hypertonie vom Grad 1 (140–159/90–99 mmHg) empfiehlt die Leitlinie die sofortige Einleitung einer medikamentösen Therapie zum Beispiel bei Patienten mit hohem Risiko; zusätzlich zu Lebensstil-Interventionen.
Auch bei älteren Patienten empfiehlt die Leitlinie bei Hypertonie vom Grad 1 Lebensstil-Interventionen bzw. eine Pharmakotherapie. Vorausgesetzt der Patient verträgt die Therapie gut. Erst bei Patienten ab 80 Jahren steigt der Grenzwert für eine Intervention auf einen systolischen Blutdruck von 160 mmHg.

Zur Blutdruckmessung sollte man erwähnen, dass die Messung in der Praxis nicht mehr der alleinige „Goldstandard“ ist. Sie kann jetzt durch häusliche oder 24-Stunden-Messungen ergänzt werden. Auf diese Weise kann der Arzt zum Beispiel eine „Weißkittelhypertonie“ erkennen.

2. Wie hoch ist der Zielblutdruck?

Als erstes Behandlungsziel wird empfohlen, den Blutdruck bei allen Patienten auf < 140/90 mmHg zu senken. Sofern die Therapie gut vertragen wird, sollten bei den meisten Patienten unter Behandlung Blutdruck-Werte von 130/80 mmHg oder niedriger angestrebt werden.

Bei älteren Patienten (≥ 65 Jahre) liegt der Zielwert bei 130–139 mmHg systolisch.

3. Welche Substanzen sollten bei Hypertonie eingesetzt werden?

Als Basis der antihypertensiven Therapiestrategie sind indiziert:

  • ACE-Hemmer
  • Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten
  • Betablocker
  • Calciumkanalblocker
  • Diuretika (Thiazide und Thiazid-artige wie Chlortalidon und Indapamid)

Sie haben alle eine effektive Senkung des Blutdrucks und kardiovaskularer Ereignisse in randomisierten kontrollierten Studien gezeigt.

4. Wie sollte die Therapie begonnen werden?

Für die meisten hypertensiven Patienten wird initial eine Kombinationstherapie empfohlen. Bevorzugte Kombinationen sollten einen RAS-Blocker (entweder ACE-Hemmer oder Angiotensin-II-Rezeptorantagonist) und einen Calciumkanalblocker oder ein Diuretikum umfassen. Auch andere Kombinationen der fünf Hauptsubstanzklassen sind möglich.

Betablocker werden als Kombinationspartner empfohlen, wenn eine spezifische Indikation vorliegt. Dazu gehören zum Beispiel Herzinsuffizienz, Angina pectoris, Zustand nach Myokardinfarkt oder Vorhofflimmern.

Andere Begleiterkrankungen wie eine chronische Niereninsuffizienz muss der Behandler ebenfalls bei der Therapie berücksichtigen.

5. Wann sollte eine Dreifachtherapie eingesetzt werden?

Wenn der Blutdruck sich mit einer Zweifachkombination nicht regulieren lässt, wird empfohlen, auf eine Dreifachkombination zu erhöhen; Üblicherweise RAS-Blocker + Calciumkanalblocker + Thiazid/Thiazid-artiges Diuretikum, bevorzugt als eine Tablette (SPC).

6. Was macht man bei resistenter Hypertonie?

Wenn sich der Blutdruck mit einer Dreifachkombination nicht einstellen lässt, wird empfohlen, die Therapie zu erweitern mit der Hinzugabe von Spironolacton, oder, falls nicht vertragen, anderen Diuretika wie Amilorid oder höherer Dosen anderer Diuretika, einem Betablocker oder einem Alphablocker.

7. Kann man zwei RAS-Blocker kombinieren?

Die Kombination von zwei RAS-Blockern wird nicht empfohlen.

In der Studie ONTARGET kam es unter der Kombination zu einem Anstieg von arteriellen Blutdruckabfällen, Synkopen und Nierenfunktionsstörungen.

 


Quelle

Pocket-Leitlinie: Management der arteriellen Hypertonie (Version 2018)

Zum Weiterlesen

Open Access: Gunnar H. Aktuelle und leitliniengerechte Therapie der Hypertonie. Arzneimitteltherapie 2015;33:223–30.