Arzneimittel bei Herzinsuffizienz: Frauen brauchen weniger

Frauen haben einen anderen Stoffwechsel als Männer, auch in Bezug auf die Verwertung von Arzneimitteln. In Dosierungsempfehlungen für Pharmakotherapien bei Herzinsuffizienz schlägt sich dieser Aspekt jedoch noch nicht ausreichend nieder – obwohl Geschlechterunterschiede in der Pharmakokinetik der üblichen Arzneimittel bekannt sind. Was bedeutet das für weibliche Patienten?

Leitlinien bei Herzinsuffizienz: Keine Geschlechterunterschiede in der Dosierung?

Eine Herzinsuffizienz geht meist mit einer reduzierten Ejektionsfraktion einher. Das bedeutet, dass von der Herzkammer pro Herzschlag weniger Blutvolumen ausgeworfen wird als bei Gesunden.

Arzneimittel der ersten Wahl für eine Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) sind ACE(Angiotensin-Converting-Enzym)-Hemmer und Betablocker. Bei Nichtvertragen von ACE-Hemmern kommen beispielweise Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten zum Einsatz (Pocket-Leitlinie Herzinsuffizienz, PDF). Die Arzneimittel sollen bis zur „höchsten verträglichen evidenzbasierten Dosis auftitriert“ werden – ohne dass dabei Unterschiede zwischen Frauen und Männern gemacht werden. Der „evidenzbasierten Dosis“ liegen jedoch in der Regel Studien mit mehr männlichen als weiblichen Probanden zugrunde, da Frauen in (Herzinsuffizienz-)Studien eher unterrepräsentiert sind.

Post-hoc-Analyse soll Problematik aufzeigen

Die Autoren um den Kardiologen Prof. Dr. Adriaan Voors, Groningen, NL, machten eine Post-hoc-Analyse der europäischen BIOSTAT-CHF-Studie. In diese Studie waren Patienten mit Herzinsuffizienz eingeschlossen, die ACE-Hemmer oder Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten und Betablocker erhalten hatten. Die Autoren berücksichtigten für ihre Analyse nur Patienten mit einer linksventrikulären Auswurffraktion von weniger als 40% (1308 Männer, 402 Frauen). Der primäre Endpunkt setzte sich aus der Gesamtsterblichkeit und Hospitalisierung aufgrund der Herzinsuffizienz zusammen. Die Ergebnisse validierten sie mit einer unabhängigen Kohorte (3539 Männer, 961 Frauen mit HFrEF) aus der ASIAN-HF-Studie.

In der Studie waren die Frauen im Mittel älter als die Männer (74 Jahre vs. 70 Jahre, p <0,0001), hatten ein geringeres Körpergewicht (72 kg vs. 85 kg, p <0,0001) und waren kleiner (162 cm vs. 174 cm, p <0,0001). Der Body-Mass-Index unterschied sich nicht signifikant.

Ähnlich viele Männern und Frauen erreichten die in den Leitlinien empfohlenen Zieldosen von ACE-Hemmern oder Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten (25% vs. 23%, p=0,61) und Betablockern (14% vs. 13%, p=0,54).

Das Ergebnis: Frauen brauchen weniger

  • Das Risiko, wegen der Herzinsuffizienz zu sterben oder ins Krankenhaus eingeliefert zu werden, war bei Männern bei der jeweils empfohlenen Dosis der Arzneimittel am geringsten.
  • Anders beim weiblichen Geschlecht: Bei Frauen war dieses Risiko bei etwa der Hälfte der empfohlenen Dosen am geringsten und verbesserte sich auch nicht weiter mit höheren Dosen.

Diese Geschlechtsunterschiede waren nach Anpassung an klinische Kovariaten, einschließlich Alter und Körperoberfläche, immer noch vorhanden. Im ASIAN-HF-Register wurden ähnliche Ergebnisse beobachtet.

Die Ergebnisse der Studie legen also nahe, dass die optimale Zieldosis für Frauen mit HFrEF niedriger ist als für Männer.

Keine Ausrede für Nichtbehandlung

Frauen mit HFrEF werden häufiger als Männer nicht mit den aktuell empfohlenen Therapien behandelt  – auch wenn es keine absoluten Kontraindikationen für die Verschreibung dieser Arzneimittel gab. Das zeigt zum Beispiel eine Auswertung des CHAMP-HF-Registers.

Die Autoren weisen daher darauf hin, dass ihre Ergebnisse nicht als Ausrede für die Nichtbehandlung von Frauen mit HFrEF missverstanden werden sollten – auch weil ein Absetzen der Medikation selbst bei wiederhergestellter linksventrikulärer Ejektionsfraktion ungünstig ist. Stattdessen sollte die Dosierung von Arzneimitteln gegen Herzinsuffizienz bei Frauen nach unten optimiert werden. Das wäre nun der nächste Schritt.

Das unterstützen auch Heather P. Whitley und Warren D. Smith, Auburn, Alabama, USA, die die Studie folgendermaßen kommentierten:

“The study by Santema and colleagues is a thoughtful and thorough investigation that draws attention to the potential need for different sex-based dose targets in HFrEF. The study simultaneously highlights the need for greater attention to sex-based differences in clinical pharmacotherapy.”