Gleicher Wirkstoff, unterschiedliche Wirkungen?

Fachinformationen wirkstoffgleicher Psychopharmaka enthalten mitunter unterschiedliche Angaben zu Kontraindikationen, wie Wissenschaftler des Universitätsklinikums Ulm aufzeigen. Wenn Generika andere Gegenanzeigen als Originalpräparate haben, verunsichert das nicht nur Patienten. Es kann auch Auswirkungen auf die Aufklärungspflicht des Arztes haben, so die Ulmer Kliniker.

Fachinformationen warten mit unterschiedlich vielen Gegenanzeigen auf

Generika enthalten den gleichen Wirkstoff wie ihr Originalpräparat. Da sollte man eigentlich davon ausgehen können, dass sie auch gleiche Nebenwirkungen und Gegenanzeigen haben. Haben sie aber nicht unbedingt. Wirkstoffgleiche Produkte können sich durchaus in der Darreichungsform sowie in den angegebenen Indikationen, Dosierung, Wirkung, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen und Kontraindikationen vom Originalpräparat unterscheiden.

Ein Forschungsteam des Universitätsklinikums Ulm um Professor Dr. Maximilian Gahr hat nun gezeigt, dass sich die Anzahl der in den Fachinformationen aufgeführten Kontraindikationen bei wirkstoffgleichen (Neuro-)Psychopharmaka signifikant unterscheiden kann.

Für ihre Auswertung durchsuchten sie die Fachinformationen von 941 Handelspräparaten mit insgesamt 116 Wirkstoffen (darunter Antidementiva, Antidepressiva, Antikonvulsiva/Phasenprophylaktika, Antipsychotika, Anxiolytika, Hypnotika/Sedativa, Arzneimittel zur Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen und Psychostimulanzien).

Bei 78 Wirkstoffen gab es mehr als ein Handelspräparat und bei 43 dieser 78 Wirkstoffe (55%) waren innerhalb der wirkstoffgleichen Handelspräparate unterschiedlich viele Kontraindikationen in den Fachinformationen aufgeführt.

Welche Auswirkungen hat das Ergebnis?

Apotheker sind verpflichtet, ein preisgünstigeres Präparat abzugeben, wenn der Arzt ein Arzneimittel nur unter der Wirkstoffbezeichnung verordnet oder nicht ausgeschlossen hat, dass das Arzneimittel durch ein wirkstoffgleiches Präparat ersetzt werden darf.

Ärzte sind wiederum verpflichtet, ihre Patienten umfassend über das verschriebene Arzneimittel aufzuklären. Um dieser Pflicht nachkommen zu können, müssten sie jedoch im Vorfeld wissen, welches Handelspräparat die Apotheke letztendlich abgeben wird. Vorsorglich über alle verfügbaren Präparate aufzuklären, wäre nicht umsetzbar, die Aut-Idem-Regelung zu umgehen noch weniger – schon wegen der Rabattverträge der Krankenkassen.

Welche Auswirkungen das Ergebnis der Studie (außer Unsicherheiten bezüglich der Patientenaufklärung und der Haftung) hat, ist allerdings noch nicht abschließend klar. Die Autoren führen selbst auf, dass die „Relevanz ihrer Beobachtung für die klinische Praxis aktuell noch nicht bewertet werden“ kann. Sie haben jedoch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) informiert.

Letztendlich ist es wichtig, dass ein Patient aufgeklärt wird, ohne dass es zu Verunsicherungen kommt. Hier kommt dem Apotheker eine wichtige Rolle zu.