Noch immer kein Zusatznutzen für Alirocumab

Die Therapie mit dem Lipidsenker Alirocumab hat in der ODYSSE-OUTCOMES-Studie eine Verbesserung des Gesamtüberlebens gezeigt. Trotzdem hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ihr auch in der Neubewertung keinen Zusatznutzen attestiert (Beschluss vom 02.05.19). Wir erklären weshalb.

In der Nutzenbewertung nach der Zulassung von Alirocumab (Praluent®) attestierte der G-BA dem Arzneimittel in keiner der betrachteten Subgruppen einen Zusatznutzen. Da mittlerweile neue Ergebnisse aus den Studien ODYSSEY OUTCOMES und COMBO II vorliegen, beantragte der Hersteller eine erneute Nutzenbewertung.

Wie lautet der Beschluss des G-BA?

Die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse betrafen aus Sicht des G-BA die folgenden Patientenpopulationen:

Erwachsene Patienten mit primärer Hypercholesterinämie (heterozygoter familiärer und nicht familiärer) oder gemischter Dyslipidämie,

  1. die mit der maximal tolerierbaren Statin-Dosis die LDL-Ziele nicht erreichen und für die Statine infrage kommen.
  2. für die eine Statin-Therapie aufgrund von Kontraindikationen oder therapielimitierenden Nebenwirkungen nicht infrage kommt.

In beiden Bereichen und ihren Untergruppen lautete das Urteil „Zusatznutzen nicht belegt“.

Was war die zweckmäßige Vergleichstherapie?

Die zweckmäßige Vergleichstherapie richtete sich danach, ob eine Statin-Therapie möglich war:

  1. maximal tolerierte medikamentöse und diätetische Therapie zur Lipidsenkung.
  2. andere (als Statine) Lipidsenker (Fibrate oder Anionenaustauscher oder Cholesterinresorptionshemmer) als Monotherapie und diätetische Therapie zur Lipidsenkung.

Wie ist die Studienlage?

ODYSSEY  OUTCOMES

Die doppelblinde Studie schloss etwa 19.000 Patienten ein, die 4 bis 52 Wochen vor Studienbeginn ein akutes Koronarsyndrom erlitten hatten. Während der Run-In-Phase erhielten die Patienten eine individuelle Optimierung ihrer lipidsenkenden Therapie. Patienten, die ihre Zielwerte nicht erreichten, erhielten anschließend in der Studie zusätzlich

  • Alirocumab oder
  • Placebo.

Während der Behandlungsphase sollte die lipidsenkende Begleittherapie außer bei Unverträglichkeiten nicht angepasst werden.

In der Studie ODYSSEY OUTCOMES verstarben 3,5 % der Patienten im Alirocumab-Arm und 4,1 % der Patienten im Kontroll-Arm (Hazard-Ratio 0,85, 95%-Konfidenzintervall 0,73–0,98). Auch im kombinierten kardiovaskulären Endpunkt (MACE) ergaben sich Vorteile für Alirocumab.

COMBO II

In der COMBO-II-Studie zeigten sich weder bei der Mortalität, dem kardiovaskulären kombinierten Endpunkt noch bei den Nebenwirkungen Vorteile für Alirocumab im Vergleich zu Ezetimib. Die Studienautoren erhoben keine Daten zur Lebensqualität.

Warum hat der G-BA so entschieden?

Aus Sicht des G-BA war eine zweckmäßige Vergleichstherapie in der ODYSSEY-OUTCOMES-Studie nicht gewährleistet. Die begleitende lipidsenkende Therapie zusätzlich zu Alirocumab bzw. Placebo war nicht intensiv genug. Nur wenige Patienten erhielten zusätzlich zu Statinen weitere Wirkstoffe. Auch bei Patienten mit Statin-Intoleranz war die lipidsenkende Begleittherapie nicht ausreichend.

In der COMBO-II-Studie hatte sich kein Vorteil für Alirocumab gezeigt. Daher konnte der G-BA aus diesen Daten kein Zusatznutzen für Alirocumab ableiten.

Über Patienten ohne atherosklerotische kardiovaskuläre Erkrankung konnte grundsätzlich keine Aussage getroffen werden, da diese Patienten in beiden Studien nicht eingeschlossen waren.

Kommentar

Auch in diesem Beschluss kritisiert der G-BA die zweckmäßige Vergleichstherapie. Ohne Frage ist Alirocumab wirksam und kann die Sterblichkeit reduzieren, wenn die Vergleichstherapie in Studien entsprechend gewählt wird. Firmen konzipieren Zulassungsstudien sorgfältigst, damit sie sichergehen können, dass ein signifikanter Vorteil zu sehen ist. Wird aber eine leitliniengerechte Vergleichstherapie gewählt, schwinden die Signifikanz und die klinische Relevanz unter Umständen sehr schnell.

Alirocumab ist und bleibt eine sinnvolle Option, wenn alle anderen lipidsenkenden Maßnahmen ausgeschöpft sind und eine aufwendige sowie teure LDL-Apherese die Alternative wäre.