Wir kennen es aus dem Fernsehen: Jemand erhält eine schreckliche Nachricht und stirbt daraufhin an einem Herzinfarkt. Das ist vielleicht etwas übertrieben. Dass psychischer Stress auf Dauer jedoch tatsächlich aufs Herz geht, konnte in einer schwedischen Studie gezeigt werden.
Psychische Störungen erhöhen das Risiko für Herzkreislauferkrankungen
Tod eines geliebten Menschen, Diagnose einer lebensbedrohlichen Krankheit, Naturkatastrophen oder Gewalt: Die meisten Menschen sind irgendwann in ihrem Leben einem psychischen Trauma oder einem stressigen Lebensereignis ausgesetzt. Es mehren sich Hinweise, dass solche Traumata das Risiko für verschiedene Krankheiten erhöhen können, etwa für kardiovaskuläre Erkrankungen, Infektionen oder bestimmte Autoimmunerkrankungen. Für Krebserkrankungen wurde ein solcher Zusammenhang übrigens bislang nicht belegt.
Der Zusammenhang zwischen stressbedingten Störungen und Herzkreislauferkrankungen wurde in einer bevölkerungsbasierten, geschwisterkontrollierten Kohortenstudie aus Schweden genauer untersucht. Das Ergebnis: Stressbedingte Störungen sind unabhängig vom familiären Hintergrund oder der Vorgeschichte von somatischen/psychiatrischen Erkrankungen stark mit Herzkreislauferkrankungen assoziiert.
In die Analyse schlossen die Wissenschaftler rund 136.000 Patienten mit stressbedingten Störungen (z.B. posttraumatische Belastungsstörung) aus dem schwedischen Patientenregister ein und schauten, wie viele dieser Patienten Herzkreislauferkrankungen entwickelten. Diese Daten verglichen sie mit denen von 170.000 Geschwistern sowie mit knapp 1,4 Millionen Menschen aus der Allgemeinbevölkerung – jeweils ohne stressbedingte Störungen. Die Beobachtungszeit betrug bis zu 27 Jahre.
Die Inzidenz für eine Herzkreislauferkrankung betrug pro 1000 Personenjahre
- 10,5 bei exponierten Patienten,
- 8,4 bei ihren nicht betroffenen Geschwistern und
- 6,9 bei entsprechenden nicht exponierten Menschen aus der Allgemeinbevölkerung.
Im geschwisterbasierten Vergleich war das Risiko für eine Herzkreislauferkrankung für Patienten mit stressbedingten Störungen 64% höher als bei ihren nicht betroffenen Geschwistern (Hazard-Ratio [HR] 1,64). Am deutlichsten war der Unterschied für eine Herzinsuffizienz im ersten Jahr nach der Diagnose (fast siebenmal so hohes Risiko; HR 6,95). Nach einem Jahr sanken die Risikoverhältnisse und reichten von 1,12 für Arrhythmien bis 2,02 für Arterienthrombosen/Emboli.
Die Vergleiche mit der bevölkerungsangepassten Gruppe ergaben ähnliche Ergebnisse (HR 1,71 für alle Herz-Kreislauf-Erkrankungen im ersten Jahr der Nachsorge und 1,36 danach).
Auch Wut bringt das Herz aus dem Takt
Dass Wut und psychischer Stress bei vorbelasteten Patienten zu Vorhofflimmern führen kann, wurde außerdem vor Kurzem in einer kleinen Studie aus den USA gezeigt. Vorhofflimmern ist in Industrieländern die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung – etwa jeder vierte Erwachsene mittleren Alters ist betroffen. Betablocker hatten einen schützenden Effekt.
In die prospektive, kontrollierte Studie wurden 91 Patienten mit paroxysmalem oder anhaltendem Vorhofflimmern in der Vorgeschichte eingeschlossen. 60 % der Studienteilnehmer hatten Betablocker verschrieben bekommen. Ein Jahr lang sollten die Probanden beim Auftreten von Vorhofflimmer-Symptomen den Herzrhythmus messen und die emotionale Verfassung der vorangegangenen 30 Minuten in einem elektronischen Tagebuch festhalten. Zur Kontrolle erhielt jeder zusätzlich einmal monatlich ein 24-h-Langzeit-EKG. Während dieser Zeit sollten man zweimal pro Stunde die Emotionen festhalten.
Im Studienzeitraum traten bei 34 Patienten insgesamt 163 symptomatische Vorhofflimmer-Episoden auf. Dazu gab es 11.500 bestätigte Kontrollperioden des Sinusrhythmus mit Tagebuchdaten zu den Emotionen.
Die Hauptergebnisse: Die Wahrscheinlichkeit einer Episode war signifikant höher, wenn der Betroffene vorher Wut oder Stress erfahren hatte. Bei den Patienten, die Betablocker erhielten, war der Effekt weniger stark ausgeprägt.
- Odds-Ratio 22,5; p<0,0001 für Patienten ohne Betablocker versus
- Odds-Ratio 4,0; p=0,002 mit Betablocker;
- p=0,02 für die Interaktion
Dabei war es egal, ob die Patienten Sotalol oder einen anderen Betablocker verschrieben bekommen hatten. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Studie für allgemeingültige Rückschlüsse zu klein war und dass nicht bekannt ist, wie regelmäßig die Patienten ihre verschriebenen Betablocker tatsächlich einnahmen.
Fazit
Schwerer Stress aufgrund signifikanter Lebensereignisse oder Traumata kann das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen erhöhen – vor allem im ersten Jahr nach der Diagnose einer stressbedingten Störung. Besonders gefährdete Patienten sollte man also im Blick haben.
Quellen
Lampert R, et al. Effect of β-blockers on triggering of symptomatic atrial fibrillation by anger or stress. Heart Rhythm 2019. doi.org/10.1016/j.hrthm.2019.03.004.
Song H, et al. Stress related disorders and risk of cardiovascular disease: population based, sibling controlled cohort study. BMJ 2019;365:l1255. doi.org/10.1136/bmj.l1255.