Tod durch Eis und Pizza?

Die Art der Ernährung ist ein wichtiger Faktor bei der Entstehung chronischer Erkrankungen (Herz-Kreislauferkrankungen, Adipositas, Typ-2-Diabetes). Die Folgen dieser Erkrankungen hinsichtlich Sterblichkeit sind bekannt und die WHO hat sich zum Ziel gemacht, die Sterblichkeit aufgrund dieser und anderer nichtübertragbarer Erkrankungen bis 2025 um 25 % zu senken.

Töten Tiefkühlkost und Dosenfutter?

Von 1990 bis 2010 sind Verfügbarkeit und Konsum von hochverarbeiteten Nahrungsmitteln in vielen Ländern gestiegen (von rund 10 % zu etwa einem Drittel der täglichen Nahrungsaufnahme). Diese Produkte sind praktisch, oft sehr schmackhaft und für die Hersteller hochprofitabel, da der Wareneinsatz in der Regel gering ist. Sie sind jedoch auch häufig hochkalorisch bei gleichzeitig niedrigem qualitativem Nährwert (z.B. viel Salz und Zucker, wenig Vitamine und Ballaststoffe), so die Autoren der prospektiven SUN-Studie, in der untersucht wurde, ob hochverarbeitete Lebensmittel einen negativen Einfluss auf die Sterblichkeit haben.

Knapp 20.000 Menschen im Alter von 20 bis 91 Jahren wurden über zwei Jahre lang beobachtet und hinsichtlich ihres Verzehrs hochverarbeiteter Lebensmittel eingeteilt (wenig, wenig bis mittelmäßig, mittelmäßig bis hoch, hoch). Zu den hochverarbeiteten Nahrungsmitteln gehörten Fertiggerichte, viele Süßigkeiten und Knabbergebäck, aber auch Eis, Wurstsorten wie Salami oder Mortadella, Müsli oder alkoholische Getränke, die durch Fermentation und anschließende Destillation gewonnen wurden (z.B. Whisky oder Gin).

Besser kochen als aufwärmen

Tatsächlich war das Mortalitätsrisiko in der Gruppe mit dem höchsten Konsum signifikant höher als in der Gruppe mit dem niedrigsten (Hazard-Ratio 1,62). Probanden dieser Gruppe hatten den höchsten BMI, waren häufiger Raucher, saßen mehr vor Computer und Fernseher, hatten aber auch den höchsten Bildungsgrad.

Eine Schwäche der Studie ist laut den Autoren jedoch, dass die Ergebnisse möglicherweise nicht auf die Allgemeinbevölkerung übertragbar sind, da die Teilnehmer ausschließlich unter Absolventen spanischer Universitäten rekrutiert wurden. Allerdings – so die Autoren – decken sich die Ergebnisse mit weiteren Studien aus Frankreich, Großbritannien und den USA und böten somit zumindest genug Anhaltspunkte für die Empfehlung, weniger hochverarbeitete Lebensmittel und mehr selbst Zubereitetes zu essen.

Rettet uns die Lebensmittelampel? – Kommentar

Gerne wird die Lebensmittelampel als Schlüssel zu einer gesünderen Ernährung gesehen (z.B. gefordert von Foodwatch und anderen Verbraucherschützern). Ich denke nicht, dass das die Lösung ist. Ich bin nicht gegen die Kennzeichnung, ich glaube nur schlicht, dass sie nichts bringt oder sogar falsche Eindrücke vermittelt. Und zwar, weil das System meines Erachtens zu unausgegoren ist. Oft wird „grün“ nämlich als „gesund“ interpretiert – die so gekennzeichneten Lebensmittel sind jedoch manchmal meilenweit davon entfernt und eben in der Regel hochverarbeitet (unverarbeitete Lebensmittel zu kennzeichnen, ist nicht vorgesehen).

In Großbritannien wird die Kennzeichnung seit einigen Jahren auf vielen verarbeiten Produkten (freiwillig) angegeben. Die britische Food Standard Agency hat eine Anleitung dazu herausgegeben (PDF), wie die abgepackten Lebensmittel zu kennzeichnen sind und diese Markierung dann zu interpretieren ist.

Angegeben werden die Farben rot, gelb und grün für den Gehalt an Zucker, Salz, Fett und gesättigten Fettsäuren entsprechend dem Anteil an der täglich empfohlenen Menge. Allerdings erfolgt keine Einstufung des gesamten Produkts. In der ausführlichen Erklärung der Food Standard Agency finden sich durchaus Hinweise darauf, dass es sich nur um Nährwertangaben handelt und dass „rot“ nicht gleichbedeutend mit „verboten“ ist; aber eben auch: “The more green colours, the healthier the choice”. Und genau das bezweifle ich, nachdem ich mir einige dieser Kennzeichnungen genauer angeschaut habe.

Beispielsweise habe ich meinen letzten Urlaub in Schottland verbracht und dort pflichtschuldigst das zweite Nationalgetränk (nach dem Whisky) probiert: „Irn Bru“. In der zuckerfreien Variante glänzt es mit ausschließlich grüner Kennzeichnung (ebenso wie andere Light-Getränke) – ergo genauso gesund wie Wasser. Dementsprechend sollte ich meinen Flüssigkeitsbedarf ausschließlich mit dieser Limonade decken können. Mal davon abgesehen, dass der Geschmack – höflich ausgedrückt – wenig überzeugend ist, enthält das klebrige Gesöff Koffein, die Süßstoffe Aspartam und Acesulfam sowie die gesundheitstechnisch nicht gerade den besten Ruf genießenden Azofarbstoffe Gelborange S und Cochenillerot A.

Ob das wirklich gesund ist, mag jeder für sich selbst entscheiden, wenn er es denn kann. Mein Eindruck ist, dass man für die Interpretation der Ampel tiefergehende Kenntnisse zu Nährstoffen und Ernährung braucht. Wer die hat, braucht auch die Ampel nicht, den anderen nutzt sie ohne entsprechendes Wissen nichts. Nach der SUN-Studie zählen Limonaden übrigens auch zu den hochverarbeiteten und damit eher zu meidenden Lebensmitteln.

Meiner Meinung nach fehlt mittlerweile vielen eben genau dieses Gefühl für Nahrungsmittel. Man muss eher wieder dorthin kommen, das Verständnis zu Lebensmitteln und deren Zubereitung zu fördern, sodass der Konsum an hochverarbeiteten Lebensmitteln abnimmt und nicht die zuckerfreie Limonade mit der fettreduzierten Fertiglasagne als gesunde Alternative zur Standardcola mit Tiefkühlpizza zum Mittagessen serviert wird.

Vielleicht sollte man in der Schule neben Sport auch Kochen (und Ernährungslehre) wieder als Schulfach einführen, damit sich nicht (wie mir neulich untergekommen) fertig ausgebildete Akademiker mit großen Augen wundern: „Man kann Suppe selber kochen?! So ohne diese Würfel?“