Eine aggressive initiale MS-Therapie mit Fingolimod, Alemtuzumab oder Natalizumab senkt das Risiko für den Übergang von der schubförmigen in die sekundär-progrediente Form. Das zeigte sich in einer prospektiven Kohortenstudie.
Lässt sich der Übergang von der schubförmigen zur progredienten MS verzögern?
Dass Patienten mit multipler Sklerose (MS) einzig mit Glucocorticoiden, Azathioprin oder Interferon beta behandelt werden können, gehört schon länger der Vergangenheit an. Inzwischen stehen Glatirameracetat, Teriflunomid und Dimethylfumarat und Fingolimod sowie monoklonale Antikörper wie Alemtuzumab, Natalizumab oder Ocrelizumab zur Verfügung. Letztere kommen bei der hochaktiven MS zum Einsatz, wenn erstere Arzneimittel nicht ausreichend wirken. Ocrelizumab ist zudem bei der primär progredienten MS zugelassen.
Die MS ist bis heute nicht heilbar und bei vielen Patienten geht die schubförmige Form im Verlauf der Erkrankung in eine sekundär-progrediente Form über. Dann sind die Therapieoptionen bislang sehr eingeschränkt. Es stellt sich die Frage: Kann eine initial aggressive Therapie mit hochwirksamen immunmodulatorischen Substanzen den Übergang in eine sekundär-progrediente MS verzögern? Das sollte in einer prospektiven Kohortenstudie an 68 neurologischen MS-Zentren in 21 Ländern untersucht werden.
In die Studie wurden 1555 Patienten mit schubförmiger MS eingeschlossen, die eine Therapie mit Interferon beta, Glatirameracetat, Fingolimod, Natalizumab oder Alemtuzumab erhielten. Sie waren zwischen 35 und 39 Jahre alt, die Mehrzahl war weiblich.
Die Hauptergebnisse:
- Immunmodulatorische Eskalationstherapien sind wirksamer als klassische immunmodulatorische Therapien: Alle untersuchten immunmodulatorischen Therapien reduzierten im Vergleich zu „keine immunmodulatorische Therapie“ signifikant das Risiko, dass eine schubförmige MS progredient wurde. Eine Therapie mit Fingolimod, Alemtuzumab oder Natalizumab war einer Therapie mit Glatirameracetat oder Interferon beta überlegen.
- Die Prognose ist besser, wenn die immunmodulatorische Therapie früh einsetzt: Glatirameracetat und Interferon beta waren wirksamer, wenn sie innerhalb der ersten fünf Jahre nach Erkrankungsbeginn eingesetzt wurden (im Vergleich zu Patienten, die diese Arzneimittel später erhielten).
Und wo ist der Haken?
Der therapeutischen Überlegenheit steht gegenüber, dass die wirksameren Therapien zu mehr und gelegentlich schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen unerwünschten Arzneimittelwirkungen führen können. Darauf weist der Neurologe Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen, in der Mai-Ausgabe der „Arzneimitteltherapie“ (AMT) hin. Dazu gehören beispielsweise schwere Depressionen, immunvermittelte thrombozytopenische Purpura oder multifokale Leukenzephalopathien.
Eine Limitierung der Studie besteht darin, dass sie keine Kausalität zeigen kann.
Quelle
Brown JWL, et al. Association of initial disease-modifying therapy with later conversion to secondary progressive multiple sclerosis. JAMA 2019;321:175–87.
Welt-MS-Tag am 30. Mai
Übrigens: Am 30. Mai ist dieses Jahr nicht nur Christi Himmelfahrt und Vatertag, sondern auch der Welt-MS-Tag. Weitere Informationen dazu gibt es zum Beispiel beim Bundesverband der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft unter www.dmsg.de/welt-ms-tag.