Lässt sich gegen Entzündungen anessen? Und was mögen kranke Organe gar nicht? Ernährungstherapie kann einiges bewirken.
Darm und Leber im Fokus
Sowohl bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und Virus-Hepatitiden als auch bei „stillen Entzündungen“ wie sie beim Reizdarmsyndrom und Fettlebererkrankungen auftreten, stellt die richtige Ernährung einen wesentlichen Aspekt im Selbstmanagement dar, verdeutlichte PD Dr. med. Birgit Terjung, Bonn, im Rahmen der Jahrespressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten e.V. (DGVS). Zwar zeigten zahlreiche Berichte einen möglichen positiven Effekt einer anti-entzündlichen Ernährung, aber die evidenzbasierte Datenlage sei spärlich. Randomisierte, kontrollierte Studien fehlen aufgrund der Komplexität des Parameters „Ernährung als Ganzes“ praktisch gänzlich. Dennoch weisen Patientenberichte, Beobachtungs- und Assoziationsstudien den Weg zu praxisnahen Empfehlungen zur antientzündlichen Ernährung.
Antientzündlich = mediterran
Eine Kost, die Entzündungsprozesse eindämmen kann, ähnelt der bekannten mediterranen Ernährungsweise, erläuterte Terjung. Empfehlenswert seien demnach 30 g Ballaststoffe pro Tag, maximal 400 g Fleisch pro Woche, zwei Wochenportionen Fisch (Lachs, Hering, Makrele mit viel antientzündlich wirkenden Omega-3-Fettsäuren) und Öle mit einem hohen Anteil an alpha-Linolensäure wie Raps-, Lein-, Weizenkeim-, Soja- oder Walnussöl. Insgesamt sei eine Reduktion tierischer Eiweiße aus Fleisch und Milchprodukten zugunsten pflanzlicher Eiweiße aus Hülsenfrüchten und Samen erstrebenswert. Antioxidative Gewürze wie Ingwer, Curry, Kurkuma, Kümmel und Knoblauch könnten dazu beitragen, dass weniger Entzündungsstoffe aus der proinflammatorisch wirkenden Arachidonsäure (Omega-6-Fettsäure) entstehen. Nicht zu vergessen: mindestens zwei Liter Getränke am Tag, möglichst kohlensäurearmes Wasser, Tee und maximal drei Tassen Kaffee.
Antientzündlich essen heißt: Das tun, was ohnehin für eine gesunde Alltagsernährung gilt.
Weniger günstig und nur in moderaten Mengen empfohlen sind Milchprodukte mit viel tierischem Fett und gesättigten Fettsäuren, verarbeitete Kohlenhydrate sowie Smoothies und Softdrinks mit einem hohen Glucose- und Fructose-Gehalt.
Der Darm: Kommunikation und Vielfalt
Die antiinflammatorische Kost scheint positive Effekte auf die Regulation einer Dysbiose in der Darmflora zu haben, wie sie bei kardiovaskulären Erkrankungen, Diabetes mellitus, Adipositas, psychiatrischen Erkrankungen, Psoriasis, rheumatischen Erkrankungen und Leber- und Darmerkrankungen vorliegt. Das Zusammenspiel von Verdauungstrakt und bestimmten Organen sei durch die „Darm-Hirn-Achse“, „Darm-Haut-Achse“ und „Darm-Leber-Achse“ gut erforscht.
Eine aktuelle Studie konnte demonstrieren, dass unter einem mediterranen Ernährungsstil die bakterielle Diversität stieg – ein Indikator für eine „gesunde“ Darmflora. Insbesondere antientzündlich wirkende Bakterien wie Bifidobacterium species, Milchsäurebakterien, Roseburia species, Faecalibacterium prausnitzii und Eubacterium species seien hier prädominant nachweisbar gewesen. Terjung sieht in einer antientzündlichen Ernährung bei der Behandlung von Darm- und Lebererkrankten eine wichtige Funktion, möglicherweise auch für deren Prävention. Allerdings müssten zukünftige Studien die potenzielle krankheitsspezifische Wirkungsweise der antiinflammatorischen Ernährung weiter untersuchen.
Fettleber auf dem Vormarsch
Auch im Hinblick auf die steigende Prävalenz von nicht-alkoholischen Fettlebererkrankungen (NAFLD) seien Lebensstilmodifikationen inklusive einer entsprechenden Ernährungsweise anzustreben, sagte Prof. Dr. med. Heiner Wedemeyer, Hannover. Die Hauptrisikofaktoren für die Entwicklung einer NAFLD seien ein ungesunder Lebensstil mit Bewegungsarmut und fett- und zuckerreicher Ernährung sowie das metabolische Syndrom.
In den nächsten Jahren muss man mit wahrscheinlich mehr als einer Million Menschen rechnen, die in Deutschland eine Fettleber-assoziierte Leberzirrhose entwickeln.
Als Folge der NAFLD seien die aggressive Steatohepatitis, Leberzirrhose mit all den damit verbundenen Komplikationen wie Leberversagen, Bauchwasser, Blutungen im Magendarmtrakt und einer vermehrten Infektneigung sowie Lebertransplantationen und ein deutlich erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines primären Leberzellkarzinoms bekannt. Zudem ist die NAFLD eng mit anderen extrahepatischen Manifestationen wie chronischen Nierenerkrankungen, Herzerkrankungen, Typ-2-Diabetes, Schlafapnoe und verminderter Lebensqualität assoziiert.
Hauptsache weniger Kalorien
Neue medikamentöse Therapien für Patienten mit einer Fettlebererkrankung stünden aktuell in fortgeschrittener klinischer Entwicklung und mit Obeticholsäure kurz vor der Zulassung bzw. Einführung in Deutschland, berichtete Wedemayer. Trotzdem bliebe die Grundlage jeder NAFLD-Therapie immer körperliche Aktivität und eine gesunde, bedarfsorientierte Ernährung.
Die DGVS-Leitlinie empfiehlt – differenziert je nach Stadium der Lebererkrankung – eine Kalorienreduktion unter Gewährleistung einer ausreichenden Zufuhr von Eiweiß, Spurenelementen und Vitaminen. Eine high-fat/low-carb-Strategie scheint auch bei NAFLD-Patienten mit Diabetes eine schnellere und stärkere Reduktion des HbA1c-Werts zu erzielen, allerdings nicht mit anhaltendem Effekt. Signifikante Veränderungen für histologische Parameter der Fettleberhepatitis konnte diese Diät ebenfalls bislang nicht aufweisen.
Quelle
PD Dr. med. Birgit Terjung, Bonn; Prof. Dr. med. Heiner Wedemeyer, Hannover. “Was ist dran an antientzündlicher Ernährung bei Darm- und Lebererkrankten?“, „ Fettleber: Welche Rolle spielt die Ernährung in der Therapie?“, Jahrespressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten e.V. Gastroenterologische Krankheiten: Was hilft die beste Pille bei der falschen Ernährung? Online am 14. Juni 2023.