Häufig werden Schmerzen bei älteren und/oder dementen Patienten nicht erkannt. Worauf bei diesen Patienten zu achten ist, erläuterte Prof. Dr. Sylvia Kotterba beim Deutschen Schmerz- und Palliativtag 2023.
Schmerzen im Alter normal?
Bis zu 75% der älteren Menschen leiden an chronischen Schmerzen, berichtete Kotterba, besonders häufig sind Arthrose- und Rückenschmerzen. Diese seien jedoch oft nicht adäquat behandelt, unter anderem auch, weil die Patienten nicht über Schmerzen klagen.
Schmerzen werden oft als etwas Normales angesehen. Es kann also sein, dass Patienten Ihnen gar nicht berichten, dass sie chronische Schmerzen haben.
Insbesondere Patienten mit kognitiven Defiziten oder Demenz fallen eher dadurch auf, dass sie unruhig und aggressiv oder auch depressiv sind und sich zurückziehen, was auch ein Ausdruck für Schmerzen sein kann, so Kotterba.
Keine visuelle Analogskala bei dementen Patienten
Die üblichen Schmerzskalen eignen sich in der Regel nicht, da kognitiv beeinträchtigte Menschen mit diesen meist nicht umgehen können. So berichtete Kotterba von einer Visite: Auf die Frage „Auf einer Skala von 0 bis 10: Wie stark ist Ihr Schmerz?“ antwortete die alte Dame freundlich lächelnd „12!!“, bevor sie sich wieder ihrem Strickzeug zuwandte. Auch wenn demente Patienten Schmerzen nicht kommunizieren, heißt das nicht, dass sie keine haben.
Demenz ist kein Analgetikum!
Statt einer visuellen Analogskala müssen somit Schmerzbeobachtungsinstrumente für die Fremdbeurteilung zum Einsatz kommen, bei denen die Patienten beispielsweise von Pflegekräften beobachtet werden (z.B. BESD: Beobachtung von Schmerzen bei Demenz [PDF]). Hierbei werden Parameter wie Gesichtsausdruck, Körpersprache (inkl. Abwehr oder sich entziehen) und Lautäußerungen (z.B. stöhnen, ächzen) erfasst.
Vorsicht bei der Behandlung
Bei der Behandlung muss vieles berücksichtigt werden, unter anderem, dass diese Patienten häufig multimorbide und polypharmaziert sind, eingeschränkte Organfunktionen haben und meist anfälliger für Nebenwirkungen der Schmerzmedikation sind. Überdies werden viele Schmerzmedikamente bei älteren Patienten als wenig geeignet eingestuft (Priscus-Liste), eine Positiv-Liste ist die sogenannte FORTA-Liste.
Meist muss hier eine individuelle Entscheidung getroffen werden, in die beispielsweise auch das biologische Alter, das nicht immer dem kalendarischen Alter entspricht, und die Lebensumstände des Patienten einbezogen werden müssen.
In der Geriatrie kann auch ein 65-Jähriger landen, der multimorbide ist, während ein 90-Jähriger, der fit ist, in der Inneren oder der Chirurgie bleiben kann.
Schmerzmittel müssen wegen eines veränderten Stoffwechsels häufig niedriger dosiert werden als bei Jüngeren. Die häufig verwendeten Buprenorphin- und Fentanylpflaster hält Kotterba für weniger gut geeignet, da die Wirkstoffe oft schlecht resorbiert werden und zu langsam anfluten, die Gefahr der Überdosierung besteht, wenn alte Pflaster nicht entfernt werden und eine Nachdosierung nicht möglich ist.
Quelle
Prof. Dr. Sylvia Kotterba. Schmerz und Demenz – Ist der ältere Schmerzpatient speziell? Deutscher Schmerz- und Palliativtag 2023. Online 17. März 2023.