Welches Antihypertensivum für wen?

Studien und Erfahrungen zeigen, dass mehrere Wirkstoffklassen bei Bluthochdruck gute Therapieeffekte erzielen. Für den einzelnen Patienten kann die Wahl des Arzneimittels jedoch einen relevanten Unterschied bedeuten.

Verschiedene Möglichkeiten

Hypertonie ist weitverbreitet und ein bedeutender Risikofaktor für Herz-Kreislauf- sowie Nierenerkrankungen. Laut Robert Koch-Institut sind weltweit jährlich rund 9,4 Millionen Todesfälle dem erhöhten Blutdruck zuzuschreiben. Neben Therapieeffekten durch Lebensstilinterventionen spielt eine adäquate Pharmakotherapie eine große Rolle in der Hypertoniebehandlung. Hierzu stehen verschiedene Blutdrucksenker zur Wahl, unter anderem ACE-Hemmer, Angiotensin-Rezeptor-Blocker, Thiaziddiuretika und Calciumkanalblocker. Kombinationen werden in den Leitlinien  empfohlen, jedoch erfolgt den Studienautoren zufolge in der Praxis oft eine Monotherapie.

Äußerst heterogenes Ansprechen

Ist die Wahl der Wirkstoffklasse eine potenzielle Stellschraube für einen höheren Therapieerfolg? In der randomisierten, doppelblinden Crossover-Studie PHYSIC aus Schweden wurden die Effekte vier verschiedener, für die Erstlinientherapie empfohlener Antihypertensiva bei Patienten mit Hypertonie Grad 1 (140‒159/90‒99 mm Hg) mit geringem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse untersucht.
Die Studienteilnehmer erhielten nach einer zweiwöchigen Placebo-Startphase nacheinander die vier Antihypertensiva Lisinopril (20 mg, ACE-Hemmer), Candesartan (16 mg, Angiotensin-Rezeptor-Blocker), Hydrochlorothiazid (25 mg, Thiazidiuretikum) und Amlodipin (10 mg, Calciumkanalblocker) in zufälliger Reihenfolge. Anschließend erfolgten erneute, wiederholte Behandlungen mit zwei der vier Wirkstoffklassen, sodass jeder Teilnehmer insgesamt sechs Behandlungsperioden durchlief. Zwischen den Behandlungsphasen lag jeweils eine einwöchige Placebo-Phase. In der Studie konnten 1468 abgeschlossene Behandlungsphasen mit einer medianen Dauer von 56 Tagen bei 270 Patienten (54 % Männer, Durchschnittsalter 64 Jahre) ausgewertet werden.

Die Reaktionen des Blutdrucks auf die vier verschiedenen Wirkstoffe variierte stark bei den Teilnehmern. Dabei ergaben insbesondere folgende Gegenüberstellungen relevante Unterschiede: Lisinopril vs. Hydrochlorothiazid, Lisinopril vs. Amlodipin, Candesartan vs. Hydrochlorothiazid und Candesartan vs. Amlodipin. Keine großen Unterschiede ergaben sich jedoch für die beiden Vergleiche Lisinopril vs. Candesartan und Hydrochlorothiazid vs. Amlodipin.

Abkehr von festem Schema?

Personalisierte Therapien gewinnen für immer mehr Indikationen an Bedeutung. Die medikamentöse Behandlung von Bluthochdruck könnte ebenfalls von individuellen Lösungen profitieren. Die Studienautoren schätzen, dass die Wahl der Wirkstoffklasse einen Unterschied von durchschnittlich 4,4 mm Hg beim systolischen Blutdruck ausmachen kann. Anbetracht der Beobachtung, dass viele Hypertoniebehandlungen in der Praxi nicht die gewünschten Ziele erreichen, scheint eine personalisierte Arzneimittelwahl eine vielversprechende Option zu sein.

Die Studienergebnisse lassen außerdem vermuten, dass eine personalisierte Auswahl auch bei Wirkstoffkombinationen Vorteile bringen könnte. Die Durchführung von Testphasen mit unterschiedlichen Wirkstoffen zu Beginn einer Hypertoniebehandlung wäre allerdings sehr aufwendig, die Identifizierung phänotypischer Merkmale jedoch könnte zukünftig ein praktikabler Weg zur optimalen, personalisierten Therapie sein.

Quelle

Sundström J, Lind L, Nowrouzi S, et al. Heterogeneity in blood pressure response to 4 antihypertensive drugs: a randomized clinical trial. JAMA 2023;329:1160–69. doi:10.1001/jama.2023.3322.