Gibt es Evidenz für Junkfood-Werbeverbote?

Zu salzig, zu süß, zu fettig: Seit Jahren fordern Kinder- und Jugendärzte, Fachgesellschaften sowie Verbraucherorganisationen, an Kinder und Jugendliche gerichtete Werbung für ungesunde Lebensmittel gesetzlich zu verbieten. Doch gibt es Evidenz zu der Frage, ob ein solches Werbeverbot etwas bewirken würde?

Wissenschaftliche Evidenz ist rar

Etwa 15 % der 3- bis 17-Jährigen sind übergewichtig, fast 6 % adipös. Was bedeutet das für betroffene Kinder und Jugendliche? Die Lebensqualität ist eingeschränkt und es finden sich bei ihnen zunehmend Erkrankungen, die man eigentlich erst von Erwachsenen kennt, darunter Typ-2-Diabetes oder eine Fettleber. Eine Möglichkeit, Übergewicht schon frühzeitig entgegenzuwirken, ist das Verbot von Werbung für ungesunde Lebensmittel bei Kindern. Seit Bundesernährungsminister Cem Özdemir verkündet hat, dass Junkfood-Werbung für Kinder und Jugendliche nun tatsächlich in Deutschland verboten werden sollte, ist eine politische Debatte ob der Sinnhaftigkeit eines solchen Unterfangens entbrannt.

Die wissenschaftliche Evidenz sei rar, heißt es in einer Meldung von Cochrane Deutschland. Man könne sich der Fragestellung jedoch annähern, etwa über Studien zu den Auswirkungen von Werbeverboten für Tabak oder Alkohol. Cochrane hat daher die Evidenz aus Cochrane-Reviews zu verwandten Themen zusammengefasst:

  • Einfluss von Werbebeschränkungen oder ‐verboten für alkoholische Getränke zur Verringerung des Alkoholkonsums: Es ergaben sich zwar Hinweise, dass sich Alkoholwerbung im Kino bei Erwachsenen und Jugendlichen auf den Konsum von Alkohol unmittelbar danach auswirken könnte. Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz war jedoch zu niedrig für belastbare Schlussfolgerungen.
  • Einfluss von Werbung auf den Tabakkonsum: In fast allen eingeschlossenen Studien erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit, später zu rauchen, wenn die Teilnehmer mehr Werbung ausgesetzt waren oder diese bewusster aufgenommen hatten.
  • Einschränkung des Zugangs zu Softdrinks: Ein eingeschränkter Verkauf von Softdrinks an Schulen konnte den Süßgetränkekonsum von Kindern und Jugendlichen reduzieren. Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz der eingeschlossenen Studien war jedoch niedrig. Wurden übergewichtigen Jugendlichen, die zuvor viele Softdrinks konsumierten, in der häuslichen Umgebung kalorienärmere Getränke oder Wasser zur Verfügung gestellt, war dies mit einer Gewichtsabnahme assoziiert. Diese Studien hatten eine hohe Evidenz-Vertrauenswürdigkeit.
  • Strategien zur Förderung einer gesunden Ernährung und zur Steigerung körperlicher Aktivität: Bekamen Kinder einen Bonus, beispielsweise einen „Stern“, für jede von drei „guten Gesundheitsverhaltensweisen“, konnte das ebenfalls das Adipositas-Risiko senken. Als gute Gesundheitsverhaltensweise zählte zum Beispiel der Verzehr einer Portion Obst oder Gemüse, die Wahl eines fett- und zuckerarmen Getränks oder das Zurücklegen von 5000 Schritten. Interventionen, die gleichzeitig sowohl auf mehr körperliche Aktivität als auch auf bessere Ernährung abzielten, hatten eine gute Evidenz dafür, das Risiko von Adipositas senken zu können. Interventionen, die ausschließlich auf die Ernährung zielten, könnten höchstens für Kindergartenkinder einen gewissen Effekt haben. Bei älteren Kindern zeigte sich kein Effekt mehr.

Diesen Reviews zufolge zeigt die bisher verfügbare Evidenz: Sowohl Werbung als auch eine leichte Verfügbarkeit von ungesunden Nahrungs- oder Genussmitteln begünstigen tatsächlich deren Konsum. Außerdem können sich Interventionen, die auf bessere Ernährung in Kombination mit mehr Bewegung abzielen, durchaus positiv auf die Vermeidung von Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen auswirken.

Ob ein Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel seinen Zweck erfüllen wird, lässt sich auf Basis der bisherigen Studienlage jedoch nicht direkt beantworten. Um die Evidenzlücken zu schließen, wäre es wichtig, eine möglichst aussagekräftige Begleitforschung zum Gesetz einzuplanen, heißt es abschließend in der Pressemitteilung.

Quelle

Cochrane-Meldung vom 3. März 2023: Werbeverbot für Junkfood: Was sagt die Evidenz?