Treat to target oder High-Intensity-Statin bei KHK?

Schon seit Längerem wird diskutiert, ob Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK) eher von einer Statin-Zielwert-Strategie oder von einer festen Statin-Hochdosis-Strategie profitieren. Nun wurde eine randomisierte Studie im US-amerikanischen Ärzteblatt (JAMA) veröffentlicht, die sich genau dieser Fragestellung widmete.

Studie aus Südkorea liefert wissenschaftlichen Beleg

Bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit wird in einigen Leitlinien eine Behandlung mit hochdosierten Statinen (HMG-CoA-Reduktasehemmer) empfohlen – mit dem Ziel, eine mindestens 50%ige Senkung des Low-Density-Lipoprotein-Cholesterin (LDL-C) zu erreichen. Ein alternativer Ansatz besteht darin, mit Statinen mittlerer Intensität zu beginnen und dann die Dosis auf ein bestimmtes LDL-C-Ziel hochzutitrieren. Diese beiden Alternativen wurden bisher noch nicht in einer klinischen Studie bei Patienten mit bekannter koronarer Herzkrankheit miteinander verglichen. Daher sollte untersucht werden, ob eine „Treat-to-Target“-Strategie einer Strategie mit hochdosierten Statinen nicht unterlegen ist.

In der offenen, randomisierten, multizentrischen Nichtunterlegenheitsstudie wurden Patienten mit bekannter koronarer Herzkrankheit in zwölf Zentren in Südkorea behandelt. Die Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip entweder der LDL-C-Zielstrategie zugewiesen (mit einem LDL-C-Wert zwischen 50 und 70 mg/dl als Zielwert) oder einer hochintensiven Statin-Therapie, die aus 20 mg Rosuvastatin oder 40 mg Atorvastatin bestand. Primärer Endpunkt war die Kombination aus Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall oder koronare Revaskularisation innerhalb von drei Jahren mit einer Nichtunterlegenheitsmarge von 3,0 Prozentpunkten. Sekundäre Endpunkte umfassten unerwünschte Ereignisse, darunter neu aufgetretener Diabetes mellitus, Krankenhausaufenthalt wegen Herzinsuffizienz, tiefe Venenthrombose oder Lungenthromboembolie.

Von den 4400 Patienten schlossen 4341 Patienten (98,7 %) die Studie ab. Das mittlere Alter betrug 65 Jahre. 1228 (27,9 %) der Studienteilnehmer waren weiblich. In der Treat-to-Target-Gruppe wurden mäßig-intensive und hoch-intensive Dosierungen der Statine bei 43 % bzw. 54 % der Patienten eingesetzt.

Treat-to-Target-Strategie nicht unterlegen

Der mittlere LDL-C-Wert (± Standardabweichung) über drei Jahre betrug

  • 69,1 (±17,8) mg/dl in der Treat-to-Target-Gruppe und
  • 68,4 (±20,1) mg/dl in der Gruppe mit hochintensiver Statin-Behandlung (p = 0,21).

Der primäre Endpunkt trat bei

  • 177 Patienten (8,1 %) in der Treat-to-Target-Gruppe und bei
  • 190 Patienten (8,7 %) in der hochintensiven Statin-Gruppe auf.

Der absolute Unterschied betrug –0,6 Prozentpunkte (p < 0,001 für Nichtunterlegenheit).

Es zeigten sich keine Unterschiede zwischen den beiden Behandlungsstrategien für die einzelnen Komponenten des kombinierten Endpunkts und für fast alle sekundären Endpunkte.

In der Studie bestand die Möglichkeit, zusätzlich zu einem Statin Ezetimib zu geben. In den Jahren 2 bis 3 erfolgte dies bei 20 % der Patienten in der Treat-to-Target-Gruppe und bei 11 % in der Gruppe mit hochintensiver Statin-Therapie. Bei den sekundären Endpunkten gab es einen Trend zugunsten der Treat-to-Target-Strategie bei neu aufgetretenem Diabetes mellitus und beim Absetzen der Statin-Therapie aufgrund von Nebenwirkungen (31 vs. 46 Patienten).

Kommentar

Es gibt keinen Zweifel, dass Patienten mit koronarer Herzkrankheit von einer Cholesterin-senkenden Therapie mit Statinen profitieren. Allerdings ist die Strategie zur Senkung des Cholesterins umstritten: entweder eine angepasste Statin-Therapie, bis ein bestimmter Zielkorridor des LDL-Cholesterins erreicht wird, oder bereits initial eine hochdosierte Statin-Therapie (unabhängig von einem Zielkorridor). Für beide Ansätze gab es bisher Verfechter in der klinischen Praxis und in den Leitlinien. Die aktuelle Studie ist die erste, in der diese beiden Therapieansätze direkt verglichen wurden. Dabei zeigte sich, dass die Treat-to-Target-Strategie genauso wirksam ist wie eine aggressive hochdosierte Statin-Therapie von Beginn an. In der klinischen Praxis ist die Treat-to-Target-Strategie praktikabler und wird sehr wahrscheinlich auch von den Patienten eher akzeptiert.

Einschränkend muss allerdings erwähnt werden, dass nur 60 % der Patienten in der Treat-to-Target-Gruppe den Zielwert des LDL-C erreichten. Dies lag wahrscheinlich daran, dass im Protokoll nicht ausdrücklich erwähnt wurde, dass zusätzlich zu einer Statin-Therapie Ezetimib gegeben werden kann. Bei Patienten mit Treat-to-Target-Therapie waren zudem die Nebenwirkungen etwas geringer und es gab weniger Therapieabbrüche aufgrund von Nebenwirkungen. In der klinischen Praxis wird sich daher wahrscheinlich die Treat-to-Target-Strategie durchsetzen.

Autor

Foto Prof. Diener
Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener. Medizinische Fakultät der Universität Duisburg-Essen, Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (IMIBE).

Quelle

Hong S-J, Lee Y-J, Lee S-J, Hong B-K, et al. Treat-to-target or high-intensity statin in patients with coronary artery disease: a randomized clinical trial. JAMA 2023 Mar 6;e232487. doi: 10.1001/jama.2023.2487. Online ahead of print.