Warum erkranken Männer schwerer an (Vogel)Grippe?

Lange wurde die „Männergrippe“ belächelt, doch inzwischen weiß man, dass Männer anders krank sind als Frauen. Einen besonders großen Geschlechterunterschied scheint es bei der Vogelgrippe H7N9 zu geben. Das zeigt eine Untersuchung, die kürzlich in Nature Communications erschien.

Zwei Drittel der H7N9-Infektionen bei Männern

Die Vogelgrippe oder aviäre Influenza ist in erster Linie eine Erkrankung bei Vögeln. Aviäre Influenzaviren können zwar nicht so leicht von Tieren auf den Menschen übertragen werden. Wenn eine solche Infektion jedoch stattfindet, kann die Krankheit bisweilen sehr schwer verlaufen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden seit 2003 weltweit etwa 2600 humane Erkrankungen und 1100 Todesfälle mit aviärer Influenza nachgewiesen. Die meisten Infektionen wurden bislang durch die Subtypen A(H5N1) und A(H7N9) verursacht.

Die erste Übertragung von H7N9 von Geflügel auf den Menschen wurde 2013 in Ostchina gemeldet. Seitdem gab es mehrere Epidemiewellen. Interessanterweise waren mehr als zwei Drittel der H7N9-Fälle, sowohl in der ersten Welle als auch in den folgenden, Männer. Ein solch starker Unterschied wurde bei der saisonalen Influenza bisher nicht festgestellt.

Die Übertragung von H7N9 vom Vogel auf den Menschen geschieht oft auf Lebendgeflügelmärkten. Haben Männer einfach mehr Kontakt zu erkrankten Vögeln? Diese These wurde zwischenzeitlich von der WHO verfolgt, inzwischen aber wieder verworfen.

Warum erkranken Männer schwerer?

Aus Kleintiermodellen gibt es Hinweise, dass Sexualhormone eine wichtige Rolle bei der Pathogenese einer Influenza-Erkrankung spielen. So konnte bereits vor einigen Jahren gezeigt werden, dass ältere männliche Mäuse mit niedrigem Testosteronspiegel nach einer H1N1-Infektion eher eine Lungenentzündung und schwere Erkrankung erleiden als jüngere männliche Mäuse. Bei weiblichen Mäusen wiederum führte eine niedrige Konzentration an Östradiol zu stärkeren Entzündungsreaktionen und schwereren Erkrankungen nach H1N1-Infektion.

Beim Menschen ist der Zusammenhang zwischen diesen Sexualhormonen und geschlechtsspezifischen Unterschieden in der Immunantwort noch nicht vollends aufgeklärt. Um die molekularbiologischen Mechanismen genauer zu analysieren, wertete ein Wissenschaftler-Team aus Deutschland und China retrospektiv Daten von 369 Patienten aus, 98 davon mit einer im Labor bestätigten H7N9-Infektion. Diese verglich sie mit einer ähnlichen Anzahl H7N9-negativer enger Kontaktpersonen und Patienten mit saisonaler Influenza, verursacht durch H1N1- oder H3N2-Viren.

H7N9-Infektion bei Männern greift Hormonachse an

Die H7N9-Infektion führte zu einem niedrigen Testosteronspiegel. Der wiederum korrelierte mit einem schwereren Krankheitsverlauf bis hin zu höherer Mortalität. Je niedriger die Testosteronspiegel bei H7N9-infizierten Männern waren, desto höher waren die Spiegel entzündungsfördernder Zytokine wie IL-6 und IL-15.

Um zu beurteilen, ob ein kausaler Zusammenhang zwischen niedrigen Testosteronspiegeln und einer H7N9-Influenza-Infektion besteht, verwendeten die Wissenschaftler ein Mausmodell. Hier konnte der Zusammenhang zwischen H7N9-Infektion und Testosteronmangel bestätigt werden.

Testosteronspiegel nach H7N9-Infektion als prognostischer Marker

Die Daten dieser Studie legen nahe, dass reduzierte Testosteronspiegel nach einer H7N9-Infektion einen schlechten prognostischen Marker bei kritisch kranken Patienten darstellen. Die Autoren halten es daher für sinnvoll, den Sexualhormonspiegel während des gesamten Infektionsverlaufs zu überwachen.

In einer Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Virologie in Hamburg heißt es, diese Studie könne als „Blaupause für die Untersuchung von Geschlechtsunterschieden bei anderen Atemwegsinfektionen dienen“, darunter SARS-CoV-2. Auch hier wurden geschlechterspezifische Unterschiede bei der Schwere der Erkrankung festgestellt.

Quelle

Bai T, et al. H7N9 avian influenza virus infection in men is associated with testosterone depletion. Nat Commun 2022;13:6936. https://doi.org/10.1038/s41467-022-34500-5