Bisherige Studienergebnisse deuten auf einen Zusammenhang zwischen Parodontitis und der glykämischen Kontrolle bei Diabetikern hin. Ob sich durch die Behandlung der Paradontis tatsächlich der HbA1c-Wert verbessert, hat nun ein Forschungsteam in einem systematischen Cochrane-Review evaluiert.
Was es mit Parodontitis auf sich hat
Eine Parodontitis ist eine Erkrankung des Zahnhalteapparates, die durch die Ansammlung von Belägen am Zahnhals entsteht. Unbehandelt führt sie zu einer Entzündung sowie zu irreversibler Zerstörung des Zahnfleisches und des Zahnhalteapparates. Oberstes Behandlungsziel ist daher, den Zustand des Zahnfleisches und Zahnhalteapparates zu stabilisieren. Erreicht werden kann das durch die professionelle, zahnärztliche Entfernung von Plaque, Zahnstein sowie Resten des Zahnfleischrandes bei schwerer Parodontitis. In manchen Fällen erfolgt zusätzlich die Gabe von Antibiotika. Für die Prophylaxe sind eine tägliche, gute Mundhygiene sowie regelmäßige professionelle Zahnreinigungen wichtig.
Hintergrund des Cochrane-Reviews
Bisherige Studien deuten auf einen Zusammenhang zwischen Parodontitis und der glykämischen Kontrolle bei Diabetikern hin. Daher sind die Autoren des vorliegenden systematischen Reviews der Frage nachgegangen, ob
- die Parodontitis-Behandlung im Vergleich zu keiner bzw. einer konventionellen Therapie die glykämische Kontrolle von Diabetikern verbessern kann (Vergleich 1) und
- sich mehrere Behandlungsansätze hinsichtlich der glykämischen Kontrolle vorteilhafter auswirken als andere (Vergleich 2)
Paralleles Studiendesign
Die aktuelle Publikation ist ein Updates eines bereits 2010 publizierten und 2015 aktualisierten Reviews. Eingeschlossen wurden insgesamt 35 randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) mit 3249 Typ-1- oder Typ-2-Diabetikern (DMT1/2) und diagnostizierter Parodontitis. Die Mehrheit der Probanden litt an DMT2 – nur in einer Studie wurden beide Typen untersucht. Bei der Parodontitis-Gruppe wurde eine Zahnsteinentfernung durchgeführt. In manchen RCTs erhielten die Teilnehmer zusätzlich edukative Hinweise für eine gute Mundhygiene oder eine Antibiotikatherapie. Im Gegensatz dazu blieb die Kontroll-Gruppe entweder unbehandelt oder sie wurde konventionell (Anweisungen für eine gute Mundhygiene und/oder Plaque-Entfernung) therapiert. Die Studiendauer betrug in allen RCTs mindestens drei Monate und das Follow-up variierte zwischen drei und zwölf Monaten. Primärer Endpunkt war die Blutglucosekonzentration, gemessen als glykiertes Hämoglobin (HbA1c-Wert). Sekundäre Endpunkte umfassten beispielsweise
- unerwünschte Ereignisse (UE)
- Anzeichen auf Blutungen
- den Gingival- und Plaque-Index
- die Tiefe der Zahnfleischtaschen
Parodontitis-Therapie verbesserte glykämische Kontrolle
Das Alter der Teilnehmer variierte zwischen 18 und 80 Jahren und auch die HbA1c-Werte bewegten sich in einem großen Bereich von 5,5 bis 13,1 %. Laut Nationaler Versorgungsleitlinie „Typ-2-Diabetes“ beträgt der angestrebte Zielkorridor 6,5 bis 8,5 %.
Vergleich 1
Eine Parodontitits-Behandlung konnte den HbA1c-Wert drei bis vier Monate nach Abschluss der Therapie im Schnitt um 0,43 Prozentpunkte reduzieren – verglichen mit keiner oder einer konventionellen Therapie. Nach sechs Monaten betrug die absolute HbA1c-Reduktion 0,30 Prozentpunkte (1457 Teilnehmer aus 12 Studien) und nach zwölf Monaten sogar 0,50 Prozentpunkte (264 Teilnehmer aus einer Studie). Daraus schlussfolgerten die Autoren, dass eine Parodontitis-Therapie die glykämische Kontrolle bei DMT1 und 2 in signifikantem Ausmaß verbessern konnte. Sie leiteten daraus eine moderate Evidenz aus den 30 RCTs mit 2443 eingeschlossenen Teilnehmern ab.
Vergleich 2
Erwartungsgemäß reduzierten sich Zahnfleischblutungen, der Plaque- und Gingival-Index sowie die Zahnfleischtaschentiefe unter einer Parodontitis-Behandlung. Der Vergleich verschiedener Therapieansätze im Hinblick auf eine verbesserte glykämische Kontrolle ergab allerdings keinen klaren Vorteil und somit keine konsistente Evidenz für eine bestimmte Behandlungsart. Demnach war eine alleinige Zahnsteinentfernung genauso wirksam wie eine Zahnsteinentfernung mit zusätzlicher Antibiotikatherapie.
Unerwünschte Ereignisse
UE traten nicht auf oder waren harmlos und ähnlich zwischen den beiden Gruppen. Allerdings wurden Parodontitis-assoziierte UE in den meisten Studien (> 50 %) nicht erfasst. Daher konnten die Autoren das Risiko einer Parodontitis-Behandlung nicht abschließend bewerten.
Moderate Evidenz für die Parodontitis-Therapie
Das Update des Reviews 2022 hat die Zahl der eingeschlossenen Studien und Teilnehmer verdoppelt und gezeigt, dass die Evidenz für die Parodontitis-Therapie (subgingivaler instrumenteller Eingriff) hinsichtlich einer verbesserten glykämischen Kontrolle bei Patienten mit Diabetes, insbesondere von Typ 2, moderat ist – verglichen mit keiner oder einer konventionellen Therapie. Es gab keine Hinweise, dass ein Behandlungsansatz anderen überlegen war.
Quelle
Simpson TC, et al. Treatment of periodontitis for glycaemic control in people with diabetes mellitus. Cochrane Database Syst Rev 2022;4:CD004714. Doi: 10.1002/14651858.CD004714.pub4.