Im Rahmen des diesjährigen Fortbildungskongresses (FOKO) des Berufsverbandes der Frauenärzte, der vom 10. bis 12. März in Düsseldorf und virtuell stattfand, stellten die beiden Experten Karl Oliver Kagan, Tübingen, und Matthias Meyer-Wittkopf, Rheine, gemeinsam den aktuellen Stand zu Infektionen mit dem Zytomegalie-Virus in der Schwangerschaft vor.
Eine der wichtigsten Schwangerschafts-relevanten Infektionen …
Das Zytomegalievirus (CMV) gehört zu den humanen Herpesviren (Typ 5). CMV-Infektionen in der Gravidität zählen zu den häufigsten vorgeburtlichen Infektionen, die den Fetus schädigen, und sind daher von hoher Relevanz. Das Besondere und gleichzeitig Problematische an CMV ist, dass eine potenzielle Infektion nicht impfpräventabel ist – im Gegensatz zu Infektionen mit Hepatitis-B-, Influenza-, Masern- oder Varizella-zoster-Viren, gegen die sehr wohl aktiv immunisiert werden kann. Hinzu kommt, dass stattgefundene Primärinfektionen in mehr als 75 % der Fälle asymptomatisch verlaufen und ohne Screening von den Schwangeren überhaupt nicht bemerkt werden. Falls doch Symptome auftreten, seien dies Fieber, Asthenie, Myalgie, Rhinopharyngitis, erhöhte Lymphozyten- und Transaminasewerte. Außerdem kann der Virusnachweis nur durch eine Amniozentese (Fruchtwasseruntersuchung) oder postnatal sicher erbracht werden – während der Frühschwangerschaft ist unbekannt, ob CMV auf den Fetus übergetreten ist (Sekundärinfektion, fetale Transmission) oder nicht.
… die gut behandelbar ist, wenn frühzeitig erkannt
Die gute Nachricht sei jedoch, dass 40 % bis 60 % der Schwangeren bereits schützende Antikörper (IgG+) aufweisen und somit für eine Primärinfektion nicht empfänglich seien, erklärte Matthias Meyer-Wittkopf. Bei schwangeren Frauen ohne schützende Antikörper (IgG-) liege die Serokonversionsrate bei 0,5 % bis 1 %. Wenn eine CMV-Infektion früh genug erkannt und behandelt werde, könnten Folgeschäden deutlich minimiert und – je nach Zeitpunkt – zum Teil verhindert werden.
Infektionen im ersten Trimenon besonders kritisch
CMV-Infektionen im ersten Trimenon sind häufig und mit schwerwiegenden Komplikationen sowohl für die Gesundheit der Schwangeren wie die der Feten verbunden. Das gilt vor allem für die ersten 14 Wochen, dem sogenannten perikonzeptionellen Zeitraum. In dieser Phase kommt es bei 30 % bis 35 % der werdenden Mütter zu einer Übertragung auf den Fetus. Über die 14. Woche hinaus sind einer französischen Studie zufolge hingegen keine nachhaltig schädigenden Effekte bekannt. Zu den potenziellen irreversiblen Folgeschäden gehören Hör- und Visusstörungen, Hepatomegalie sowie Entwicklungsretardierung aufgrund von Verkalkungen der Arterien in den Basalganglien und daraus resultierender Mikrozephalie.
Hygieneaufklärung wirkt!
Die Übertragung von CMV auf die Schwangere und letztlich auch den Fetus erfolgt über Schmierinfektionen mit CMV-haltigem Speichel oder Urin. Hygienebewusstsein und die Einhaltung einfacher Maßnahmen führen nachweislich zu geringeren Serokonversionsraten. Ohne vorherige Beratung lag diese einer Studie zufolge bei 0,8 % versus 0,19 % bis 0,26 % nach erfolgter Aufklärung. Schwangere sollten darauf achten, sich regelmäßig und vor allem nach einer potenziellen CMV-Exposition
- die Hände zu desinfizieren,
- Küssen zu vermeiden und
- von der gemeinsamen Verwendung von Handtüchern, Nahrungsmitteln, Getränken, etc. abzusehen.
Es lohnt sich also, diese verhältnismäßig einfachen Verhaltensweisen umzusetzen und den eigenen CMV-Immunstatus überprüfen zu lassen.
Wann und wie sollte eine CMV-Labordiagnostik erfolgen?
Die aktuell noch in Planung befindliche S2k-Leitlinie, die ab dem 04. Dezember 2022 in Kraft treten wird, sieht eine CMV-Labordiagnostik bei allen Schwangeren in folgenden Fällen vor:
- nur nach Beratung zur Hygieneprävention
- mit erhöhtem Risiko für eine CMV-Infektion, vor allem bei Kontakt zu Kindern < 3 Jahren
- zum Zeitpunkt, wenn die Schwangerschaft ärztlich festgestellt wurde
- mindestens 6 bis 8 Wochen nach Primärinfektion erfolgen und
- im weiteren Schwangerschaftsverlauf über die Amniozentese (frühestens in SSW 21)
Die Vorgängerversion der Leitlinie ist hier einsehbar. Ist die schwangere Frau nach der Bestimmung des CMV-Infektionsstatus (Primär- oder latente Infektion) CMV-seronegativ, sollte idealerweise in der 12. bis 14. SSW eine erneute CMV-IgG-Testung durchgeführt werden. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei dem Screening zwar nicht um eine Kassenleistung handle. Meyer-Wittkopf selbst empfehle diese IGe-Leistung. Allerdings sollte kritisch abgewogen werden zwischen dem Ausmaß des tatsächlichen Nutzens sowie der diagnostischen Aussagekraft über eine potenziell stattgefundene Infektion und der damit einhergehenden Verunsicherung der werdenden Mutter über mögliche Folgeschäden ihres ungeborenen Kindes. Der sichere Nachweis, dass die CMV-Übertragung auf den Fetus stattgefunden habe, könne nämlich nur über das Fruchtwasser erfolgen. Daher komme im weiteren Verlauf die Amniozentese zum Einsatz – laut Leitlinie frühestens in SSW 21, Meyer-Wittkopf zufolge sei sie aber auch schon früher möglich (ab SSW 18). Letztere biete den Vorteil die Schwangere zu beruhigen, dass keine Viren über getreten sind.
Therapieansätze
Im zweiten Teil des Vortrags stellte Prof. Dr. med. Karl Oliver Kagan die derzeitigen Behandlungsansätze vor und ging dabei auf eine kürzlich publizierte Studie ein, an der er ebenfalls beteiligt war.
Hygieneberatung, Hyperimmunglobuline und Valaciclovir
Kagan zufolge stehe in erster Linie die Prävention durch Aufklärung über die Infektionswege und Hygieneberatung im Vordergrund. Bei einer stattgefundenen maternalen CMV-Infektion liege der Fokus darauf, die Transmission auf den Fetus zu verhindern. Erreicht werden könne dies durch die Applikation von Hyperimmunglobulinen (HIG). Für eine erfolgreiche passive Immunisierung müsse die HIG-Gabe (200 I. E./kg Körpergewicht) so schnell wie möglich erfolgen, da die Übertrittwahrscheinlichkeit steige, je später die Therapie eingeleitet werde. Bei bereits erfolgter Transmission stehe neben HIG aber auch die Applikation von Valaciclovir zur Diskussion. Kagan betonte, dass die Behandlung nicht über die gesamte Gravidität fortgesetzt werden sollte, sondern nur bis zur SSW 20. Die Ergebnisse der ebenfalls zu diesem Zeitpunkt durchgeführten Amniozentese sollen Aufschluss über die weitere Therapiestrategie geben – je nachdem, ob eine fetale Infektion nachweisbar ist oder nicht.
Quellen
- FOKO 2022, Hybridkongress, Stadthalle Düsseldorf und virtuell vom 10. bis 12. März 2022
- Faure-Bardon V, et al. Sequelae of Congenital Cytomegalovirus Following Maternal Primary Infections Are Limited to Those Acquired in the First Trimester of Pregnancy. Clinical Infectious Diseases 2019;69:1526–32; doi: https://doi.org/10.1093/cid/ciy1128.
- Kagan KO, et al. Outcome of pregnancies with recent primary cytomegalovirus infection in first trimester treated with hyperimmunoglobulin: observational study. Obstretics & Gynaecology 2021;57:560-67; doi: https://doi.org/10.1002/uog.23596.