Ophthalmologie

Die Netzhaut als Fenster ins Gehirn?

Die Netzhaut könnte als Biomarker für eine reduzierte Hirnsubstanz fungieren. Das zeigen Ergebnisse der Rheinland Studie, einer großangelegten Populationsstudie im Bonner Stadtgebiet. Ein Ziel der Studie ist es, Biomarker für Demenzen und andere neurodegenerative Erkrankungen zu identifizieren.

Netzhautstrukturen korrelieren mit Gehirnstrukturen

Netzhaut und Gehirn stammen aus demselben neuralen Gewebe und haben morphologische und physiologische Ähnlichkeiten. Außerdem halten sie über die gesamte Lebensdauer direkte synaptische Verbindungen aufrecht. Schon seit einiger Zeit wird diskutiert, dass die Netzhaut ein Biomarker für eine reduzierte Hirnmasse (Hirnatrophie) sein könnte. Allerdings fehlte es an der richtigen Technik, diese Korrelation genauer und an einer größeren Population zu untersuchen.

Mitarbeiter des Universitätsklinikums Bonn (UKB) und des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) haben nun bei 2872 Teilnehmern der Rheinland Studie die Netzhaut mittels „Spectral domain-optische Kohärenztomographie“ (SD-OCT) untersucht. Das SD-OCT-Verfahren ermöglicht detaillierte Aufnahmen der Netzhaut und ihrer Schichten. Zusätzlich wurden MRT-Aufnahmen des Gehirns erstellt und die Daten mit speziellen Software-Algorithmen ausgewertet.

Die Teilnehmer waren zu 57% weiblich und im Median 54 ± 13 Jahre alt (Altersbereich 30–94 Jahre). Es zeigte sich ein enger Zusammenhang zwischen Schichten der inneren Netzhaut und der weißen Substanz: Je dünner die inneren Netzhautschichten, desto geringer war das Volumen der weißen Substanz.

Die äußere Netzhaut hingegen war vorrangig mit der grauen Substanz der Hirnrinde assoziiert. Die Dicke verschiedener Netzhautschichten korrelierte zudem eng mit dem Volumen des Hippocampus, der für das Erinnerungsvermögen eine zentrale Rolle spielt.

Verlaufsuntersuchung bei neurodegenerativen Erkrankungen?

Die Aufnahmen der Netzhaut mittels SD-OCT sind relativ einfach, nicht-invasiv und kostengünstig durchzuführen, so die Autoren. Sollten sie tatsächlich als Biomarker für Hirnatrophie geeignet sein, könnten sie als zusätzliche Verlaufskontrolle bei verschiedenen neurodegenerativen Erkrankungen dienen. Noch ist das allerdings Zukunftsmusik. Zunächst müssen die Ergebnisse in größeren Studien über einen längeren Zeitraum im klinischen Rahmen überprüft werden.

Quellen

Mauschitz MM, et al. Retinal layer assessments as potential biomarkers for brain atrophy in the Rhineland Study. Scientific Reports (2022), DOI: 10.1038/s41598-022-06821-4.

Pressemitteilung des DZNE vom 15. März 2022