Ohne klare Indikation auf PPI verzichten

Protonenpumpenhemmer sind bewährte Arzneimittel bei Reflux und Co. Stetig ansteigende Zahlen zur Verschreibungshäufigkeit lassen jedoch vermuten, dass sie zunehmend jenseits des gesicherten Indikationsspektrums eingesetzt werden. Experten rufen dazu auf, den Einsatz zu prüfen und wenn möglich zu beenden.

Vermehrt Off-Label-Use

Protonenpumpeninhibitoren (PPI) reduzieren die Magensäuresekretion und sind damit erste Wahl in der Behandlung von Reflux, Gastritis und anderen säurevermittelten Erkrankungen im Magen-Darm-Trakt. Für diese Indikationen sind sie gedacht und die Wirksamkeit ist entsprechend belegt. Allerdings klafft eine zunehmend größere Lücke zwischen dem gleichbleibenden Indikationsspektrum und den seit 25 Jahren linear ansteigenden Verschreibungszahlen. Der Rückschluss: PPI werden vermehrt im Rahmen anderer Indikationen eingesetzt, für deren Behandlung sie nicht primär bestimmt sind. Im Hinblick auf die Problematiken von Polypharmazie und Übermedikation lohnt sich ein kritischer Blick auf die Notwendigkeit eines jeden PPI-Einsatzes – sowohl aus medizinischen als auch aus wirtschaftlichen Gründen. Denn wenn wissenschaftliche Erkenntnisse und/oder bisherige Behandlungserfahrungen keinen überzeugenden Nutzen erwarten lassen, ist ein Arzneimittel verzichtbar. Deprescribing, wie die Rücknahme von Arzneimittelverschreibungen im Fachjargon genannt wird, ist daher auch bei PPI eine sinnvolle Option.

Step by step absetzen

Ein aktuelles klinisches Update, beauftragt vom Clinical Practice Updates-Komitee des Instituts der American Gastroenterological Association (AGA) und dem AGA-Verwaltungsrat hat sich des Themas angenommen und konkrete Expertentipps für ein Deprescribing von PPI bei ambulanten Patienten formuliert. Demnach sollen Ärzte prüfen, wo das Arzneimittel absolut oder nur bedingt indiziert ist. Die Autoren entwarfen Empfehlungen im Sinne eines „best practice advice“ für Patienten, die PPI einnehmen.

Einmal täglich oder gar nicht?

Die Experten empfehlen eine regelmäßige Überprüfung der laufenden Indikationen sowie Dokumentation durch den Hausarzt. Bei einer zweimal täglichen PPI-Einnahme ist die Gabe möglichst auf einmal täglich zu reduzieren. Sollte keine definitive PPI-Indikation vorliegen, ist ein PPI-Deprescribing zu prüfen, entweder als Dosisreduzierung als auch als sofortiges Absetzen. Betroffenen Patienten sind darüber zu informieren, dass sich durch ein Einnahmestopp nach langfristiger PPI-Einnahme eine Rebound-Säure-Hypersekretion und damit vorübergehende Symptome im oberen Magen-Darm-Trakt einstellen können. Es gibt allerdings auch Ausnahmen: Die Experten empfehlen kein Deprescribing von PPI

  • bei komplizierter gastroösophagealer Refluxkrankheit sowie vorheriger schwerer erosiver Ösophagitis, Ösophagusgeschwüren oder hochgradiger septischer Stenose,
  • für Patienten mit Barrett-Ösophagus, eosinophiler Ösophagitis oder idiopathischer Lungenfibrose und
  • bei hohem Blutungsrisiko im oberen Gastrointestinaltrakt, das anhand einer evidenzbasierten Strategie zu ermitteln ist.

Nebenwirkungen kein Thema

Die Intention der Autoren ist ausdrücklich keine Anwendungsbeschränkung aufgrund möglicher unerwünschter Arzneimittelwirkungen von PPI. Im Übrigen stellte ein kürzlich veröffentlichter Umbrella-Review die Bedeutung von mutmaßlichen Nebenwirkungen bei der PPI-Einnahme in Frage. Die Autoren fanden in verschiedenen Metaanalysen von Kohorten- und randomisierten kontrollierten Studien zwar Hinweise auf mögliche unerwünschte Effekte wie ein erhöhtes Frakturrisiko, chronische Nierenerkrankungen oder Clostridium-difficile-Infektionen. Jedoch können ihrer Einschätzung nach die meisten Beobachtungen nicht durch qualitativ hohe Studien gestützt werden. Hier scheinen ferner Begleiterkrankungen und weitere eingenommene Arzneimittel eine wichtige Rolle zu spielen.

Quelle

Targownik LE,. Fisher DA,. Saini SD. AGA clinical practice update on de-prescribing of proton pump inhibitors: Expert review. Gastroenterology 2022. Online veröffentlicht am 16.02.2022. doi.org/10.1053/j.gastro.2021.12.247