Bei Kindern sollen funktionelle Bauchbeschwerden nur in Ausnahmefällen medikamentös behandelt werden. Die aktuelle S3-Leitlinie zum Reizdarmsyndrom rät vorwiegend zu kognitiv-verhaltenstherapeutischen Behandlungen und psychosozialer Betreuung. In einer aktuellen Studie erzielte nun eine Placebo-Behandlung Erfolge.
Placebo als Therapiealternative?
Placebo kann Krankheitssymptome verbessern. Das ist bekannt und unter anderem deshalb gilt die randomisierte, Placebo-kontrollierte Studie als Goldstandard bei der Untersuchung neuer Therapien. Meist wird vermutet, dass für eine Wirksamkeit von Placebo unbedingt Verschleierung notwendig ist – der Patient also nicht wissen darf, dass er Placebo bekommt. Es gibt jedoch erste Studien, die auch einen Benefit einer Placebo-Therapie nahelegen, wenn die Patienten wissen, dass sie nur ein Scheinmedikament einnehmen.
In einer aktuellen, wenn auch kleinen, Studie wurde nun getestet, ob Open-Label-Placebo eine Therapieoption für Kinder und Jugendliche mit Reizdarmsyndrom oder funktionellen Bauchschmerzen darstellt.
Open-Label-Placebo bei Bauchbeschwerden
30 Kinder von 8 bis 18 Jahren wurden in die Studie eingeschlossen (14 mit Reizdarmsyndrom, 16 mit funktionellen Bauchschmerzen). Die Patienten wurden randomisiert:
- 3 Wochen Behandlungsphase mit Open-Label-Placebo und nachfolgend 3 Wochen Kontrollperiode oder
- 3 Wochen Kontrollperiode und nachfolgend 3 Wochen Behandlungsphase mit Open-Label-Placebo
Als Rescue-Medikation waren Hyoscyamin-Tabletten (Antispasmodikum) erlaubt. Primärer Endpunkt war die Stärke der Schmerzen (täglich gemessen auf einer visuellen Analogskala von 0 bis 100 mm, größere Werte bedeuten stärkere Schmerzen). Ein sekundärer Endpunkt war, wie oft die Rescue-Medikation eingenommen wurde.
Weniger Schmerzen, weniger Rescue-Medikation
Der Schmerzscore war während der Behandlungsphase mit gut 5 Punkten signifikant niedriger als während der Kontrollperiode. Überdies benötigten die Kinder unter der Placebo-Therapie signifikant seltener die Rescue-Medikation, nämlich 2 Hyoscyamin-Tabletten gegenüber 3,8 Tabletten in der Kontrollperiode. 16 von 30 Kindern nahmen während der Kontrollperiode, aber nur 2 während der Behandlungsphase, häufiger die Rescue-Medikation.
Dies ist eine der ersten Studien, die den Effekt einer Open-Label-Behandlung mit Placebo bei Kindern darstellt. Den Autoren ist lediglich eine weitere Studie mit pädiatrischen ADHS-Patienten bekannt, die ebenfalls auf einen positiven Effekt von Open-Label-Placebo hinweist. Bisher ist jedoch nicht klar, welche Mechanismen dieser hohen Wirksamkeit von Placebos bei Kindern zugrunde liegen. Das sollte nach Ansicht der Autoren Gegenstand weiterer Untersuchungen sein. Trotzdem resümieren sie, dass Placebo eine effektive, leicht zugängliche Behandlungsoption für Kinder und Jugendliche mit Reizdarmsyndrom oder funktionellen Bauchschmerzen sein könnte.
Quelle
Nurko S, et al. Effect of open-label placebo on children and adolescents with functional abdominal pain or irritable bowel syndrome. A randomized clinical trial. JAMA Pediatr 2022; doi:10.1001/jamapediatrics.2021.5750. Published online.