HPV-Impfung, Zervixkarzinome & eine App

Hohe HPV-Impfquoten – welcher Kinder- und Frauenarzt träumt nicht davon? Dieses Ziel zu erreichen und aufrecht zu erhalten, ist aber alles andere als leicht. In Kanada versuchte man, diesem Ziel mit öffentlich finanzierten Impfprogrammen in Schulen näher zu kommen.

Lage in Kanada

Die Impfung gegen humane Papillomviren (HPV) ist freiwillig und wird grundsätzlich empfohlen, allerdings liegt das Thema Gesundheit in der Verantwortlichkeit der einzelnen Provinzen. Daher variieren die Impfstrategien, Zielgruppen (Alter und Geschlecht) und das Impfschema der HPV-Vakzine zum Teil erheblich. Zwischen 2007 und 2010 wurden in allen kanadischen Provinzen öffentlich finanzierte Impfprogramme an Schulen für Mädchen implementiert. Drei Jahre später wurde diese Strategie erweitert, sodass Jungen erfreulicherweise nun ebenfalls Bestandteil der Zielgruppe sind.

Einfluss auf die HPV-Impfquoten

Es gibt mehrere soziodemografische und psychosoziale Faktoren, die mit der HPV-Impfquote assoziiert werden. Dazu gehören beispielsweise

  • Geschlecht und Alter der Kinder und Eltern, deren Bildungsgrad, Familienstand, Beruf, Einkommen, Anzahl der Kinder (soziodemografisch)
  • allgemeine Einstellung zu und Wissen über Impfungen (psychosozial)
  • ärztliche Empfehlung der HPV-Vakzination
  • Zugang zu Impfangeboten
  • (Selbst-)Finanzierung / finanzielle Eigenbeteiligung

Welche Faktoren zu einer hohen Impfquote führen und welche potenziellen Zusammenhänge zwischen öffentlich finanzierten Impfprogrammen und soziodemografischen oder psychosozialen Charakteristika bestehen, ist weitgehend unbekannt. Das haben die Studienautoren der kürzlich in The Lancet Regional Health publizierten Beobachtungsstudie zum Anlass genommen, zu untersuchen, wie sich die Implementierung öffentlich finanzierter HPV-Impfprogramme in Schulen auf die HPV-Impfquote von Jungen (direkt) und Mädchen (indirekt) auswirkt. In Kanada stellen die Kosten für eine Impfung oft eine Barriere dar, weswegen Kinder die Immunisierung nicht erhalten. Durch die Einführung finanzierter Impfprogramme könnten finanzielle Hürden abgebaut und der Zugang zu Impfungen verbessert werden, so die Hypothese der Studienautoren.

Studiendesign

In der Metaanalyse wurden die Daten von 1559 kanadischen Kindern (843 Mädchen, 716 Jungen) im Alter von neun bis 16 Jahren mittels Online-Fragebogens erhoben, der von den Kindern selbst oder deren Eltern beantwortet wurde. Die Einschlusskriterien waren Internetzugang und Wohnort in Kanada. Kinder bzw. deren Eltern, die sich weder für noch gegen die Impfung entschieden (Antwort „I don‘t know“), wurden ausgeschlossen. Den Autoren zufolge handelt es sich um die erste Studie, in der der Einfluss finanzierter HPV-Impfprogramme in Kanada untersucht wurde.

Ergebnisse

Je höher das Bildungsniveau der Eltern war, desto eher erkannten sie die Vorteile und die Wirksamkeit einer Impfung an und desto eher ließen sie ihre Kinder auch impfen. Je älter die Kinder waren und je eher sie die HPV-Impfung durch öffentlich finanzierte Schulprogramme erhielten, desto höher war die Impfquote (Odds-Ratio [OR]Jungen=1,17; ORMädchen=1,61). Gleiches galt, wenn die HPV-Impfung durch einen Arzt empfohlen wurde (ORJungen=9,83; ORMädchen=2,08). Die Empfehlungen für eine Impfung waren dabei signifikant (Adjusted Odds-Ratio [AOR]Jungen=8,42; AORMädchen=2,34). Allerdings hatte die Mehrheit der Eltern eine ärztliche Empfehlung für die HPV-Impfung nicht erhalten. Im Gegensatz dazu wirkten sich finanzielle Barrieren, generelle Bedenken und Ängste vor unerwünschten Wirkungen negativ auf die Impfquote aus.

Wo stehen wir in Deutschland?

Basierend auf den Daten des Zentrums für Krebsregisterdaten erkranken in Deutschland jedes Jahr etwa 6.250 Frauen und ca. 1.600 Männer an HPV-assoziierten Karzinomen. Zervixkarzinome betreffen hauptsächlich jüngere Frauen (35-59 Jahre). Bei Männern verursachen HPV vor allem Tumore im Oropharynx, Genital- und Analbereich. Die STIKO (Ständige Impfkommission) empfiehlt daher die HPV-Impfung mit den seit 2007 zugelassenen Totimpfstoffen Cervarix® (bivalent) und Gardasil®9 (neunvalent) für Mädchen und seit Juni 2018 auch für Jungen ab einem Alter von 9 Jahren, idealerweise vor dem ersten Sexualkontakt. Mädchen sollen später unbedingt – unabhängig von einer erfolgten HPV-Immunisierung – regelmäßig am empfohlenen Gebärmutterhals-Screening teilnehmen, um Dysplasien frühzeitig zu erkennen. Auf der Grundlage der aktuellen Impfquote von etwa 44,6 % kann nach Modellberechnungen durch die HPV-Impfung von Mädchen die Häufigkeit von Zervixkarzinomen in Deutschland im Verlauf der nächsten 100 Jahre um mehr als die Hälfte gesenkt werden (163.000 Erkrankungen weniger). Würde bei Jungen eine vergleichbare Impfquote erreicht, könnten zusätzlich mehr als 76.000 weitere HPV-assoziierte Krebsfälle bei Frauen und Männern verhindert werden. In Deutschland gibt es keine Meldepflicht für HPV-Infektionen und damit auch keine regelmäßig erhobenen Daten zur Häufigkeit.

PraxisApp „Mein Kinder- und Jugendarzt“

Die kostenlose App bietet einen automatischen Erinnerungsservice für bevorstehende Impfungen, die sich an den Empfehlungen der STIKO orientieren. Im Service-Bereich stehen zusätzlich wichtige Notfall- und Notdienst-Nummern sowie aktuelle Informationen zur Kinder- und Jugendmedizin bereit. Letztere werden in Zusammenarbeit mit dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte herausgegeben und per Push-Funktion direkt auf dem Handy angezeigt. Last but not least wartet die App mit einer Videosprechstunde und einer Tagebuchfunktion, z.B. für Kopf- oder Bauchschmerzen, auf.

Zum Weiterlesen

Welche Schutzwirkung die Immunisierung bei jungen Männern erreicht, war Gegenstand einer aktuellen Studie mit quadrivalentem HPV-Impfstoff. Zu den Ergebnissen und dem vollständigen Artikel geht es hier.

Quellen: