In ihrer aktuellen „Unstatistik des Monats“ beschäftigen sich Gerd Gigerenzer und Kollegen mit der (mangelnden) Informationsdichte zum „Brustkrebsmonat Oktober“ in den Medien.
Aktionsmonat soll aufklären …
Der Oktober ist traditionell „Brustkrebsmonat“, um mit verschiedenen Kampagnen aufzuklären. Eigentlich, so sollte man hoffen, werden Frauen in diesen Wochen besonders gut und umfassend informiert. Dass dem nicht so ist, haben Mitarbeiter des RWI (Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, vormals Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung) in ihrer „Unstatistik des Monats“ gezeigt.
Dazu haben sie „Brustkrebsmonat Oktober 2021“ in Google eingegeben und sich die Einträge auf der ersten Seite angesehen.
Alle bewerben die Früherkennung, keiner davon berichtet jedoch, was die wissenschaftlichen Studien über deren Nutzen und Schaden herausgefunden haben.
Wissenschaftliche Studien mit mehr als 500.000 Frauen zeigen jedoch, dass Früherkennung nicht nur nützt:
Wenn 1000 Frauen ab 50 Jahren zum Screening gehen, dann sterben 4 der Frauen innerhalb von etwa 11 Jahren an Brustkrebs, und bei Frauen, die nicht zum Screening gehen, sind es 5. Es stirbt also eine Frau von je 1000 weniger an Brustkrebs.
Die Anzahl der Frauen, die insgesamt an Krebs (einschließlich Brustkrebs) sterben, ändert sich jedoch nicht; es sind 22 in beiden Gruppen. Das heißt, in der Screening-Gruppe stirbt eine Frau weniger mit der Diagnose Brustkrebs, aber eine Frau mehr an einem anderen Krebs. Insgesamt gibt es also keinen Nachweis, dass durch Früherkennung Leben gerettet oder verlängert werden.
Frauen, die zum Screening gehen, so heißt es in der „Unstatistik“, müssen allerdings mit Schaden rechnen:
- 100 von 1000 Frauen erhalten unnötige Biopsien aufgrund falscher Alarme
- 5 Frauen wird die Brust unnötigerweise teilweise oder ganz entfernt
Diese Information sollte man in einem solchen Aktionsmonat jedoch erwarten, damit Frauen eine informierte Entscheidung für oder gegen Früherkennung treffen können, so Gigerenzer und Kollegen.
… statt mit rosa Enten zu werben
Statt Informationen finden sich in den ersten Suchergebnissen Webseiten, die mit „rosa Schleifen und einem Rosa-Enten-Korso“ werben. Auf der Webseite womens.es werde zwar eine Zahl genannt (Früherkennung „reduziert die Sterbewahrscheinlichkeit um 25 Prozent“), doch was das bedeutet, erfahre man nicht. Auch die weiteren Seiten erlaubten keine informierte Entscheidung.
Verlässliche Information fanden sich erst auf späteren Seiten. So weit kommen die meisten Internetnutzer jedoch gar nicht.
Bereits 2014 hatte das Unstatistik-Team über die „Kommerzialisierung des Brustkrebsmonats“ sowie über fehlende oder irreführenden Zahlen zu Nutzen und Schaden berichtet. Seitdem sei wenig bis nichts passiert. Abschließend heißt es etwas provokativ in der Mitteilung:
In einer Gesellschaft, in der man über Gendersternchen streitet, wird zugleich die Praxis geduldet, Frauen die wissenschaftlichen Ergebnisse über Früherkennung vorzuenthalten. Frauen und Frauenorganisationen sollten endlich die rosa Schleifchen zerreißen und sich das nicht gefallen lassen. Jede Frau soll selbst informiert entscheiden können, statt emotional von Teddybären und kommerziellen Interessen gesteuert zu werden.
Unstatistik des Monats
Mit der „Unstatistik des Monats“ hinterfragen der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer, die STAT-UP-Gründerin Katharina Schüller und RWI-Vizepräsident Thomas K. Bauer jeden Monat jüngst publizierte Zahlen und deren Interpretationen.
Quelle
Unstatistik des Monats vom 28. Oktober 2021, https://www.rwi-essen.de/unstatistik/120/