COVID-19; Originalbild: Eisenhans/Adobe Stock

Long-COVID bei Kindern

Long-COVID bei Kindern – ob und wie oft es auftritt – wurde in letzter Zeit viel diskutiert, unter anderem im Zusammenhang mit der (zunächst fehlenden) Impfempfehlung des Robert Koch-Instituts. Verschiedene, meist kleine Studien, z.B. aus Italien, der Schweiz und Deutschland, befassen sich mit dem Thema. Sie kommen jedoch hinsichtlich der Häufigkeit zu stark variierenden Ergebnissen und so lässt sich derzeit die tatsächliche Prävalenz des Syndroms bei Kindern kaum abschätzen.

Hohe Raten in italienischer Untersuchung

Eine Untersuchung aus der Uniklinik in Rom mit 129 Kindern ergab, dass ein großer Anteil der Erkrankten von langanhaltenden Symptomen betroffen war. Die akute Erkrankung war bei 33 Kindern symptomlos und bei 96 mit Symptomen verlaufen. Auch Kinder mit asymptomatischem Verlauf berichteten über anhaltende Symptome wie Fatigue, Kopfschmerzen oder Muskelschmerzen.

Insgesamt gaben knapp 60% an, langanhaltende Symptome zu haben:

  • 1–2 Symptome: 46 Kinder (35,6%), bei 13 davon waren die Symptome 60 bis 119 Tage nach Diagnose noch vorhanden, bei 21 noch mehr als 120 Tage nach Diagnose
  • 3 oder mehr Symptome: 29 Kinder (22,5%), bei 7 davon waren die Symptome 60 bis 119 Tage nach Diagnose noch vorhanden, bei 14 noch mehr als 120 Tage nach Diagnose

Die Aussagekraft der Ergebnisse wird dadurch begrenzt, dass die Daten nur an einer Klinik erhoben wurden, kleine Patientenzahlen eingeschlossen wurden und eine Vergleichsgruppe mit Kindern ohne vorangegangene COVID-19-Erkrankung fehlte.

Schweizer Arbeit zeigt niedrige Zahlen

Eine Untersuchung an mehreren Schulen in der Schweiz ergab dagegen niedrige Raten an Langzeitsymptomen. Dazu wurden Daten von 1355 Schülern (1246 seronegativ, 109 seropositiv) ausgewertet. Gestartet wurde die Studie im Oktober 2020, ausgeschlossen wurden Kinder, deren Antikörperstatus sich im März/April 2021 gegenüber Studieneinschluss verändert hatte (Serokonversion).

4 von 109 seropositiven Kindern (4%) und 28 von 1246 seronegativen Kindern (2%) gaben an, mindestens ein Long-COVID-Symptom  über mehr als 12 Wochen gehabt zu haben. Die häufigsten waren Müdigkeit, ein erhöhtes Schlafbedürfnis und Konzentrationsschwierigkeiten.

Limitiert seien die Ergebnisse unter anderem aufgrund der relativ kleinen Zahl seropositiver Kinder und fehlende Informationen zum genauen Zeitpunkt der durchgemachten Infektion.

Einige britische Arbeiten zeigen ähnliche Zahlen (Virus Watch study und Teile der COVID Symptom Study).

Long-COVID oder Long-Pandemie?

Die SchoolCovid19 study aus Dresden zur psychischen Gesundheit mit 1560 Schülern (1365 seronegativ, 188 seropositiv) zeigte wieder ein anderes Bild. Abgefragt wurden folgende Symptome:

  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Gedächtnisverlust
  • Antriebslosigkeit
  • Schmerzen (Kopfschmerz, Abdominalschmerzen, Muskel- und Gelenkschmerzen )
  • Fatigue
  • Schlaflosigkeit
  • Stimmung (traurig, wütend, glücklich, angespannt)

Auch hier gab mit 35% der Schüler eine relativ große Gruppe an, in den letzten sieben Tagen vor der Umfrage unter mindestens einem der Symptome gelitten zu haben. Allerdings traf dies gleichermaßen auf Schüler zu, die niemals an COVID-19 erkrankt waren, wie auf solche, die seropositiv waren. Überdies war die Prävalenz psychosomatischer Symptome höher als vor der Pandemie.

Die Autoren schließen daraus, dass viele (wenn auch nicht alle) Symptome nicht durch die Infektion, sondern durch die Pandemie und die getroffenen Maßnahmen wie Lockdowns bedingt sind. Sie betonen, dass sie nicht die Existenz von Long-COVID anzweifeln. Es sei aber gerade bei Kindern mit leichten Verläufen (wie hier in die Untersuchung eingeschlossen)  wahrscheinlich seltener, als in einigen vorangegangenen Studien vermutet.

Kommentar

„Ich weiß, dass ich nichts weiß“ trifft wohl derzeit zu. Anhand der aktuell vorhandenen Daten lässt sich nicht wirklich eine seriöse Aussage zur Häufigkeit von Long-COVID bei Kindern treffen. Trotzdem liest man ständig, dass es viele und in jedem Fall zu viele seien.

Für eine korrekte Einschätzung der Lage bräuchte es jedoch erst einmal eine saubere  Definition des Erkrankungsbildes sowie eindeutige Diagnosekriterien (auch zur Abgrenzung von anderen Erkrankungen). Denn die Symptome, die zum Long-COVID-Syndrom gezählt werden, sind so unspezifisch, dass man sie nicht zweifelsfrei einer vorangegangenen SARS-CoV-2-Infektion zuordnen kann.