FDA-Zulassung von Aducanumab bei Alzheimer: berechtigte Hoffnung?

Am 7. Juni 2021 wurde in den USA der Antikörper Aducanumab im beschleunigten Verfahren zur Behandlung der Alzheimer-Demenz zugelassen. Das weckt neue Hoffnungen. Doch sind sie berechtigt?

Therapeutische Herausforderung Alzheimer-Demenz

Momentan gibt es nur wenige Arzneimittel, die zur Erhaltung der geistigen Leistungsfähigkeit bei der Alzheimer-Erkrankung gegeben werden können (Cholinesterase-Hemmer, Memantin). Diese Therapieansätze sind allerdings rein symptomatisch. Nach kurativen Ansätzen wird seit Jahrzehnten gesucht – mit mäßigem Erfolg.

Nun weckt eine in den USA erfolgte Zulassung neue Hoffnungen: Im beschleunigten Verfahren („accelerated approval“) ließ die US-amerikanische Arzneimittelzulassungsbehörde FDA den Antikörper Aducanumab zu und zwar als „erste und bisher einzige Behandlung, welche durch die Reduktion von Amyloid-Beta-Ablagerungen im Gehirn die der Alzheimer-Krankheit zugrunde liegenden Pathomechanismen beeinflusst“, wie es in der gemeinsamen Pressemitteilung von Biogen und Eisai vom 7. Juni 2021 heißt.

In den Studien PRIME, EMERGE und ENGAGE  konnte bei Patienten im Frühstadium der Erkrankung gezeigt werden, dass unter Aducanumab Amyloid-Beta-Plaques reduziert wurden. Diese Plaques gelten als Biomarker, und sollen mit einiger Wahrscheinlichkeit einen klinischen Nutzen vorhersagen können.

Aducanumab ist der erste neue Alzheimer-Wirkstoff seit fast 20 Jahren. Inzwischen wurde auch ein Antrag bei der EMA eingereicht.

Die FDA-Zulassung ist an weitere Studien geknüpft

Die Alzheimer Forschung Initiative e.V. (AFI) warnt vor verfrühten Hoffnungen und begrüßt die Entscheidung der FDA, Aducanumab unter der Voraussetzung zuzulassen, dass der Hersteller eine weitere Studie zur Wirksamkeit des Medikamentes vorlegt.

„Das ist folgerichtig, denn die bisherigen Ergebnisse, die Biogen vorgelegt hat, waren nicht eindeutig und haben zu viele Fragen offengelassen. Unstrittig ist zwar, dass Aducanumab wirksam die alzheimerspezifischen Eiweiß-Ablagerungen aus Beta-Amyloid im Gehirn entfernt. Ob damit aber die kognitiven Fähigkeiten der Patientinnen und Patienten substantiell verbessert werden, konnten die widersprüchlichen Ergebnisse der beiden bisherigen Phase-III-Studien nicht zufriedenstellend belegen“, heißt es in einer Pressemitteilung der AFI.

„Mit der Zulassung sollten keine falschen Hoffnungen geweckt werden. Auch Aducanumab kann die Alzheimer-Krankheit nicht heilen, sondern verlangsamt den Gedächtnisabbau in einem geringen Ausmaß. Für Patientinnen und Patienten in einem sehr frühen Krankheitsstadium kann das eine zeitweise spürbare Stabilisierung der kognitiven Fähigkeiten und der Lebensqualität bringen.“

Der Wirkung stünden ernstzunehmende Nebenwirkungen und eine aufwändige und engmaschige ärztliche Begleitung gegenüber (PDF).

Der ehemalige Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am TUM Klinikum rechts der Isar, Prof. Dr. Hans Förstl, kommentierte die FDA-Zulassung beim letzten MMP-Webinar zum Thema „Demenz“ ebenfalls eher verhalten:

„Wir sind in Europa immer etwas skeptischer und diese Skepsis ist bei dieser Art Substanzen durchaus angebracht. Bisher wurde der Antikörper bei hochgereinigten Patientenpopulationen im frühen Stadium einer demenziellen Erkrankung eingesetzt und zeigte dort in den Zulassungsstudien eine Wirkung, die auch eine Zulassung in Europa rechtfertigt.“

In der breiten Anwendung habe man jedoch mit ganz anderen Patientengruppen zu tun mit einer deutlich fortgeschrittenen Erkrankung und Komorbidität.

Ob möglicherweise in Kombination mit Cholinesterase-Hemmern eine befriedigende Wirkung erzielt werden kann, müssen weitere Studien zeigen.

Übrigens: Das MMP-Webinar „Demenz“ vom 7. Juni 2021 ist für Abonnenten der Medizinischen Monatsschrift für Pharmazeuten auch im Nachgang einsehbar.