In letzter Zeit wird häufig (oft mit einem Augenzwinkern) diskutiert, ob der Lockdown zu mehr Scheidungen oder mehr Babys führt. Ich persönlich denke: beides. Zumindest zu einem von beiden gibt es jetzt sogar eine Studie, die die Theorie mit Daten unterlegt.
Behandlung bei Kinderwunsch nicht dringend
Während des ersten Lockdowns im Frühjahr wurden vielerorts nichtdringende Behandlungen ausgesetzt und Facharzttermine verschoben. So fielen teilweise auch reproduktionsmedizinische Behandlungen wie die assistierte Reproduktion (ART) der Pandemie zum Opfer, da sie als nicht dringend eingestuft wurden. Außerdem schoben auch einige Paare ihren Kinderwunsch aus eigenem Antrieb auf, teils aus finanziellen Sorgen, teils aus Angst vor Folgen einer Infektion auf die Kindesentwicklung.
Eine Untersuchung aus einer italienischen Klinik zeigte nun, dass sich einige der „unfruchtbaren“ Paare nach Beendigung des Lockdowns ganz ohne künstliche Befruchtung über eine Schwangerschaft freuen konnten.
Alter entscheidend, Körpergewicht nicht
Bei 431 Paaren war die Behandlung an dem Fertilitätszentrum ausgesetzt worden. Diese wurden nach Beendigung des Lockdowns kontaktiert, um wieder bei den Ärzten vorstellig zu werden. 34 Paare konnten den Termin jedoch sausen lassen, da die Frauen bereits ohne ärztliche Hilfe schwanger waren.
Dabei spielte es keine Rolle, bei wem die Unfruchtbarkeit ursprünglich diagnostiziert wurde (in 9 Fällen bei der Frau, in 10 Fällen beim Mann, in 4 Fällen bei beiden, in 11 Fällen ungeklärt). Die Verteilung war bei den Paaren, bei denen es während des Lockdowns nicht zu einer Schwangerschaft kam, vergleichbar.
Auch das Körpergewicht – Übergewicht wird als Ursache für Unfruchtbarkeit diskutiert – war bei den schwangeren und nichtschwangeren Frauen vergleichbar. Allerdings waren die Frauen, die schwanger geworden waren, mit 35 im Schnitt zwei Jahre und damit signifikant jünger als die nichtschwangeren und hatten noch nicht so lange erfolglos versucht, ein Kind zu bekommen (2,4 gegenüber 3,6 Jahren).
Eine Frage der Häufigkeit
Nach Adjustierung auf verschiedene Faktoren zeigte sich jedoch vor allem, dass die Paare, bei denen die Schwangerschaft ohne medizinische Unterstützung zustande kam, sexuell deutlich aktiver waren. Die Frauen waren danach gefragt worden, wie oft sie ungeschützten Geschlechtsverkehr hatten: Die Schwangeren gaben eine fast doppelt so hohe Zahl an wie die Nichtschwangeren (3,6 ± 1,1 versus 1,9 ± 0,8 mal pro Woche).
Die Autoren vermuten, dass diesem Aspekt in der Anamnese und der Diagnose einer Unfruchtbarkeit viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Sie raten daher, zukünftig Paare mit unerfülltem Kinderwunsch genauer zu ihren sexuellen Gewohnheiten zu befragen.
Gerade jüngeren Paaren könnte dann nach Ansicht der Autoren empfohlen werden, einfach etwas aktiver zu sein. Klingt ein bisschen nach Sex auf Rezept, könnte aber laut Autoren der Untersuchung unnötige und belastende Behandlungen vermeiden. Stattdessen erhalten dann die Paare medizinische Unterstützung, die sie wirklich benötigen.
Quelle
Villani MT, et al. Spontaneous pregnancies among infertile couples during assisted reproduction lockdown for COVID‐19 pandemic. Andrology 2021 Jan 11. doi: 10.1111/andr.12973. Online ahead of print.