Ich habe Schwangeren immer gesagt, dass ein oder zwei Tassen Kaffee am Tag nicht schaden könnten. War wohl leider falsch.
Bisherige Empfehlungen sehen maßvollen Konsum als unproblematisch
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat 2015 eine Risikobewertung zu Coffein verfasst. Darin erwähnt sie zwar, dass Coffeinkonsum mit einem verminderten Wachstum des Fötus in Verbindung gebracht wird, gibt aber gleichzeitig eine unbedenkliche Tagesdosis an.
Eine über den gesamten Tag verteilte Coffein-Aufnahme aus allen Quellen von bis zu 200 mg pro Tag ist für den Fötus unbedenklich.
Eine Tasse Filterkaffee (200 ml) enthält etwa 90 mg Coffein.
Neue Analyse kommt zu anderen Ergebnissen
Professor Jack E. James, Reykjavik (Island), stellte in einem Artikel die Ergebnisse von Beobachtungsstudien und Metaanalysen aus 48 Publikationen zusammen, in denen der Coffeinkonsum in der Schwangerschaft Thema war.
Zwei der Metaanalysen betrachteten das Quotenverhältnis (Odds-Ratio) für eine Totgeburt (Risikoerhöhung):
- 1,19 (95%-KI 1,05 bis 1,35) pro 100 mg Coffein pro Tag
- 1,09 (95%-KI 1,02 bis 1,16) pro 100 mg Coffein pro Tag
Vier weitere Metaanalysen betrachteten das Quotenverhältnis (Odds-Ratio) für eine Fehlgeburt (Risikoerhöhung):
- 1,36 (95%-KI 1,29 bis 1,45) beim Vergleich <150 mg vs. ≥ 150 mg Coffein
- 1,14 (95%-KI 1,10 bis 1,19) pro 100 mg Coffein pro Tag
- 1,32 (95%-KI 1,24 bis 1,40) beim Vergleich <150 mg vs. ≥ 150 mg Coffein
- 1,07 (95%-KI 1,03 bis 1,12) pro 100 mg Coffein pro Tag
Von 42 Datenpaaren, die der Autor betrachtete, zeigten 32 negative Auswirkungen mütterlichen Coffeinkonsums. Dies traf auch auf 14 der 17 Metaanalysen zu.
Die Ergebnisse mehrerer Studien zeigen Dosis-Wirkungs-Beziehungen. Zudem gab es in mehreren Untersuchungen keine untere Grenze, bei der der Zusammenhang zwischen Coffeinkonsum und negativen Auswirkungen verschwand.
Kommentar
Die Ergebnisse des Autors wirken zunächst erschreckend. Allerdings muss man einschränkend feststellen, dass der Beitrag lediglich Odds-Ratios zeigt. Ausgehend von diesen Werten kann man kaum die Prävalenzen und die klinische Relevanz abschätzen. Zudem handelt es sich um Beobachtungsstudien, die nicht den beweisenden Charakter von randomisierten klinischen Studien haben.
Dass Coffein mit negativen Auswirkungen auf den Fötus assoziiert sein kann, war schon länger bekannt. Doch bisher gingen die Empfehlungen davon aus, dass es eine sichere Dosisgrenze gäbe, unter der keine negativen Auswirkungen zu erwarten sind. Die hier präsentierten Daten zeigen zwar, dass ein hoher Konsum problematischer ist als ein niedriger. Aber den üblichen Ausspruch „ein oder zwei Tassen Kaffee schaden nicht“ kann man daraus nicht ableiten. Stattdessen zeigten sich auch Assoziationen im niedrigen Dosisbereich. Daher sollte die EFSA prüfen, ob die Grenze von 200 mg/Tag tatsächlich auf aktueller Evidenz beruht.