Lopinavir-Ritonavir bei Patienten mit schwerer COVID-19-Infektion

In einer randomisierten Studie mit 199 Patienten mit SARS-CoV-2-Infektion war die Kombination von Lopinavir und Ritonavir nicht wirksamer als Placebo.

Einsatz von HIV-Medikamenten

Im Moment wird weltweit eine Vielzahl von randomisierten Studien durchgeführt mit Medikamenten, die in vitro eine Inhibierung des SARS-CoV-2-Virus bewirken. Das HIV-Medikament Lopinavir wurde 2003 im Rahmen der SARS-Infektion erprobt. Der Kombinationspartner Ritonavir erhöht dabei die Plasmahalbwertszeit von Lopinavir.

Die Zeit bis zur klinischen Besserung …

Es handelte sich um eine randomisierte, kontrollierte, offene Studie in China an Patienten mit nachgewiesener SARS-CoV-2-Infektion und einer Sauerstoffsättigung von 94% oder weniger, die die Ärzte zu diesem Zeitpunkt noch nicht künstlich beatmen mussten.

Die Patienten erhielten:

  • die Kombination Lopinavir-Ritonavir in einer Dosis von 400 mg und 100 mg 2-mal täglich für 14 Tage
  • die übliche Therapie

Der primäre Endpunkt war die Zeit bis zur klinischen Besserung, definiert als eine Verbesserung von 2 Punkten oder mehr auf einer 7-Punkte-Ordinalskala oder die Entlassung aus dem Krankenhaus.

… verkürzte sich nicht

In die Studie wurden 199 Patienten aufgenommen und randomisiert. Sie waren im Mittel 58 Jahre alt und 60% waren männlich. 12% litten unter Diabetes mellitus und etwa 90% hatten Fieber. Auf der 7-Punkte-Skala war die Schwere der Erkrankung zum Zeitpunkt der Randomisierung 5,0. Im Verlauf der Studie beatmeten die Ärzte 16% der Patienten.

Insgesamt ergab sich kein positiver Therapieeffekt der antiviralen Therapie mit einer Hazard-Ratio für die klinische Verbesserung von 1,31 und einem 95%-Konfidenzintervall von 0,95–1,80. Die Sterblichkeit innerhalb von 28 Tagen war mit 19,2% unter Verum versus 25,0% unter Standardtherapie ebenfalls nicht unterschiedlich. Unter der antiviralen Therapie kam es zu vermehrten gastrointestinalen unerwünschten Arzneimittelwirkungen.

Kommentar

Die randomisierte offene Studie zeigte, dass die Kombination Lopinavir-Ritonavir zusätzlich zur Standardtherapie keine Verbesserung im klinischen Outcome und der Sterblichkeit bewirkt. Eine Post-hoc-Analyse ergab, dass Patienten mit einer frühen Behandlung möglicherweise einen klinischen Nutzen aufweisen. Dies müsste aber eine weitere Studie belegen. 14% der Patienten brachen in der Verum-Gruppe die Therapie wegen unerwünschter Arzneimittelwirkungen ab. Dies waren überwiegend gastrointestinale Ereignisse. Die Studie hat mehrere Designprobleme. Sie war offen und nicht verblindet. Darüber hinaus wurden Patienten, die am schwersten betroffen waren – nämlich solche, die beatmet werden müssen – in der Studie nicht untersucht.

Quelle

Cao B, et al. A trial of lopinavir-ritonavir in adults hospitalized with severe Covid-19. N Engl J Med. 2020;382:1787-99.

Autor

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Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener. Medizinische Fakultät der Universität Duisburg-Essen, Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (IMIBE).