Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP) hat in einer Online-Pressekonferenz ihre wissenschaftliche Empfehlung zur Beatmungstherapie bei COVID-19 vorgestellt.
Aktuelle Lage
Etwa 80 % der COVID-19-Erkrankten haben einen leichten Verlauf, 20 % einen schwereren Verlauf, etwa 5 % müssen intensivmedizinisch betreut werden.
Die DGP hat nun ein Positionspapier zur praktischen Umsetzung der apparativen Differenzialtherapie der akuten respiratorischen Insuffizienz bei COVID-19 mit mehreren Stellungnahmen herausgegeben (PDF). „Deren Stellenwert […] wird zurzeit viel diskutiert und kommentiert. Aktuell werden eine Reihe von Aspekten unkritisch nebeneinandergestellt, und Einzelmeinungen im Internet haben ein Gewicht, das sie aus Sicht einer wissenschaftlichen Fachgesellschaft nicht bekommen sollten“ so die Einleitung des Positionspapiers.
Bei einer Online-Pressekonferenz am 17. April erläuterten der Präsident der DGP, Professor Dr. med. Michael Pfeifer, und sein Stellvertreter Prof. Dr. med. Torsten Bauer die Stellungnahmen und beantworteten zahlreiche Fragen zur Beatmung von COVID-19-Patienten.
Da die Lage momentan sehr dynamisch sei und täglich neue Erkenntnisse gewonnen werden, müssen die Empfehlungen in den nächsten Wochen und Monaten weiterentwickelt werden.
Einige wichtige Aspekte erläuterten die beiden Referenten jedoch jetzt schon.
1. Sollten Patienten so früh wie möglich ins Krankenhaus?
Es müsse auch das Overcrowding des Gesundheitssystems im Blick behalten werden, so Bauer. Hier sind auch die ambulanten Versorger gefragt: Wenn im Röntgenbild Infiltrate zu sehen sind und der Patient Atemnot hat, gehört er definitiv ins Krankenhaus. Die entscheidende Phase liegt wahrscheinlich zwischen Tag 8 und 12 der Erkrankung – dann gewinne entweder das Immunsystem oder die Entzündung bricht endgültig durch und es kommt zum schweren Verlauf.
2. Invasive Beatmung als Ultima Ratio?
Es sind nichtinvasive Verfahren möglich wie die Sauerstoffgabe über eine Nasensonde oder unter Druck über eine Maske, mit der oft schon eine Stabilisierung erreicht werden kann. Trotzdem sollte eine invasive Beatmung mit Intubation oder Tracheotomie auch nicht zu spät begonnen werden, denn dann steigt die Sterblichkeit massiv an, so Pfeifer. Man solle zwar nicht nur aufgrund schlechter Blutgaswerte COVID-19 Patienten invasiv beatmen, zeigt der Patient aber Anzeichen, dass die Lungenfunktion nicht aufrechterhalten werden kann, MUSS intubiert werden.
3. Sterben beatmete Patienten häufiger?
Ich geh nicht ins Krankenhaus, da ist mein Oppa schon gestorben!
– so laut Bauer eine gängige Redensart im Ruhrpott. Natürlich sind Patienten, die beatmet werden, schwer krank, daher ist bei diesen die Sterblichkeit höher als bei Nichtbeatmeten mit leichtem Krankheitsverlauf. Man müsse daher fragen: „Ist die Sterblichkeit zu hoch?“ Das könne aber zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beantwortet werden. Jetzt muss die sogenannte Exzessmortalität oder Übersterblichkeit untersucht werden, das heißt, wie viele Menschen zusätzlich durch die Erkrankung sterben. Diese wird derzeit wahrscheinlich noch überschätzt.
4. Lebenslange Schäden nach invasiver Beatmung?
Es gibt derzeit keine Daten, ob die Beatmung zu dauerhaften Schäden wie Kurzatmigkeit oder einem erhöhten Risiko für Lungenentzündungen führt. Daten von anderen Erkrankungen zeigen jedoch, dass sich die Lunge vollständig erholen kann, es sei denn es bestanden bereits vorher massive Schäden. Dauerhafte Schäden entstehen oft durch die Krankheit selbst, trotzdem sollte der mechanische Stress möglichst gering gehalten werden, um Akutschäden zu vermeiden.
5. Wie kann sich das Personal, das COVID-19-Patienten betreut, schützen?
Generell besteht in den Räumen, wo entsprechende Patienten liegen, eine erhöhte Belastung und da besonders, wo Aerosole entstehen können. Die größte Gefahr besteht im Moment der Intubation. Allerdings können Risiken minimiert werden, indem sich möglichst wenig Personal im Raum aufhält, das zudem Schutzkleidung trägt. Eine zusätzliche einfache Maßnahme ist das Lüften – ist das Fenster immer geöffnet, nimmt die Aerosoldichte ab.
6. Was tun bei Patienten mit Vorerkrankungen?
Erste Untersuchungen aus China hatten gezeigt, dass eine hochdosierte Cortisontherapie den Verlauf nicht verbessert. Daraufhin kursierte dann in den Medien teilweise die Annahme, dass Cortison bei COVID-19 schädlich sei. Ein Schluss auf die inhalative Asthmatherapie sei absolut unzulässig, so Bauer. Man erwartet derzeit bei gut eingestellten Asthmatikern keine schwereren Verläufe. Die stabile Situation sollte auf keinen Fall dadurch gefährdet werden, dass die Therapie mit inhalativen Glucocorticoiden unterbrochen wird.
Auch Krebspatienten sollten eine begonnene Chemotherapie auf jeden Fall fortführen und nicht wegen der Immunsuppression unterbrechen. Allerdings sollten diese Patienten besonders vorsichtig sein und beispielsweise Kontakte zu Menschen meiden, die mit COVID-19-Patienten in Berührung kommen.
7. Kann man das Immunsystem stärken?
Eine momentan häufig gestellte Frage ist, ob man das Immunsystem stärken kann, damit es mit der Erkrankung fertig wird. Leider gibt es dafür keine wirklich gute Methode. Unser Immunsystem ist über viele Jahre gewachsen und kann nun nicht kurzfristig verbessert werden. Aber, so Bauer, es sei nun besonders an der Zeit, darauf zu achten, es nicht unnötig zu schwächen, beispielsweise durch Rauchen oder starken Alkoholkonsum.