Crowdfunding ist mittlerweile wahrscheinlich vielen ein Begriff, medizinische Diagnosen von der breiten Masse („Crowd-Diagnosis“) möglicherweise nicht.
Social Media statt Arzt
Dass Menschen Ihre Symptome googeln (und dabei nicht immer etwas Sinnvolles herauskommt), ist bekannt. Doch scheinbar bitten Patienten auch – was mich nicht verwundert – auf Social-Media-Plattformen andere Nutzer um Diagnosen.
Bisher wurde dieses Phänomen aber nicht systematisch untersucht, was eine amerikanische Forschungsgruppe nun am Beispiel der Plattform Reddit nachgeholt hat.
Dort gibt es zahlreiche Gesundheitsforen, von denen die Forscher nun das Forum zum Thema „sexuell übertragbaren Infektionen (STI)“ genauer unter die Lupe genommen haben. Seit Livegang 2010 wurden dort knapp 17.000 Anfragen gepostet – 500 zufällig ausgewählte wurden ausgewertet. Überprüft wurde, ob der Poster auf Suche nach einer Diagnose oder der Bestätigung einer ärztlichen Diagnose war.
Eingewachsenes Haar oder Kondylom?
Is this ingrown hairs or genital warts? I went to the doc a few days ago and he said it’s genital warts […] I recently shaved so the doctor could be wrong and they’re ingrown hairs? Here’s a pic. I’d appreciate a second opinion […]
58% der Poster baten um eine Diagnose, bei einem Fünftel davon bestand der Wunsch nach einer zweiten Meinung. Gut 30% der Anfragenden luden zusätzlich sogar Bilder der betroffenen Körperpartien hoch.
Ein Vorteil dieser Art von medizinischer Hilfe sehen Betroffene neben der Anonymität möglicherweise darin, dass sehr schnell reagiert wird. Die erste Antwort auf den oben genannten Post traf beispielsweise bereits nach 12 Minuten ein (mediane Zeit bis zu einer Antwort 3,04 Stunden, 80% aller Anfragen wurden innerhalb eines Tages beantwortet). Ein Fünftel erhielt allerdings gar keine Antwort.
Diagnose der Zukunft?
Zwar haben die Autoren die Qualität der Antworten nicht untersucht, vermuten aber, dass oft Laien antworten und daher die Gefahr von Fehldiagnosen besteht. Auch andere Leser könnten diese Antworten zur (falschen) Eigendiagnose nutzen. Eine Nichtbehandlung ist zudem nicht nur nachteilig für den Patienten selbst, sondern birgt das Risiko von Ansteckung weiterer Personen.
Trotzdem merken die Autoren an, dass die Crowd-Diagnosis nicht unbedingt schlecht ist, wenn sie in geregelten Bahnen abläuft. Sie schlagen vor, dass beispielsweise Ärzte mit Social-Media-Plattformen kooperieren könnten und so die Ferndiagnose sicherer gestalten könnten bzw. bei Unsicherheit an einen Facharzt vor Ort verweisen könnten.