Studien zufolge ist mehr als jede zehnte Verordnung für Kinder aus dem Krankenhaus fehlerhaft. Letztendlich lassen sich die Fehler auf fünf wesentliche Gründe zurückführen. Welche das sind, haben Mediziner aus Großbritannien ausfindig gemacht.
Die häufigsten Gründe für Verordnungsfehler
Wesentliche Unterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen (z. B. individuelle Größe, Gewicht, Unterschiede in der Physiologie und beim Metabolismus) führen zu Verordnungsfehlern bei Kindern. Dosierungsfehler sind am häufigsten. Für eine Verbesserung der Arzneimittelsicherheit müssen aber nicht nur Fehler identifiziert, sondern auch die Ursachen erforscht werden.
Britische Mediziner haben deshalb zusammengetragen, was die häufigsten Gründe für Fehlverordnungen bei Kindern sind.
Dafür wurden verschiedene Datenbanken nach Studien und Übersichtsarbeiten durchsucht, die der Frage nach den Ursachen für Verordnungsfehler bei Kindern nachgegangen sind. Die Ergebnisse aus 68 analysierten Artikeln wurden am Ende einer sechsköpfigen Expertengruppe aus Kinderärzten, Pharmazeuten und Kinderkrankenschwestern vorgestellt, um die Aussagekraft und Relevanz der Studien zu validieren.
1. Individuelle Dosierungen
Individuelle Dosierungen stellen besondere Ansprüche an das Personal, da die Dosen an das Wachstum der Kinder angepasst werden müssen. Das wird von den Ärzten zum Teil nicht berücksichtigt oder fehlerhaft durchgeführt. So kann es passieren, dass Kinder, die sehr klein für ihr Alter sind, viel zu hohe Dosen bekommen oder übergewichtigen Kindern Dosen verschrieben werden, die oberhalb der maximal empfohlenen Dosis für Erwachsene liegen.
Die häufigsten Dosierungsfehler entstehen durch Fehlberechnungen, falsche Dezimalstellen oder Verwechslungen bei den Dosisangaben in mg/kg/d.
2. Off-label-Verordnungen
Das Verordnen von Arzneimitteln, die für Kinder nicht zugelassenen sind, führt ebenfalls zu Verschreibungsfehlern, da konkrete Dosisinformationen für Kinder fehlen, es mehrere oder unklare Referenzstandards gibt oder einfach nach dem Motto „trial and error“ dosiert wird. Auch kommt es zu Fehlern, wenn der Spezialist die Informationen zur Dosierung nicht an den Kinder-, Hausarzt oder Apotheker weitergibt.
3. Darreichungsformen
Bei flüssigen Zubereitungen entstehen beispielsweise Fehler durch die Umrechnung von Milliliter auf Milligramm und umgekehrt. Häufig fehlen spezielle Formulierungen für Kinder. Arzneistoffe, die eigentlich für Erwachsene bestimmt sind, müssen Kindern verordnet werden. So können Dosierungsungenauigkeiten bei hochkonzentrierten Zubereitungen zu massiven Überdosierungen führen.
4. Kommunikation mit Eltern und Kindern
Wenn Eltern Information nicht vollständig, missverständlich oder falsch an weiterbehandelnde Ärzte wiedergeben, kann es zu Dosierungsfehlern kommen. So geben Eltern beispielsweise Dosierungen in Milliliter an, weshalb Ärzte dann erst einmal die Konzentration der Zubereitung herausfinden müssen.
Aber auch mangelnde Kommunikation der Ärzte im Hinblick auf ihre Verordnungsentscheidungen und Dosierungen führt zu Fehlern. Wenn ein Hausarzt zum Beispiel ein Arzneimittel mit einer anderen Stärke verschreibt als der Arzt im Krankenhaus, müssen die Eltern über die geänderte einzunehmende Menge aufgeklärt werden.
5. Erfahrung in der Arbeit mit Kindern
Ärzten in der Facharztausbildung Pädiatrie unterlaufen weniger Verordnungsfehler als Ärzten anderer Disziplinen, weil den Nichtpädiatern die Unterschiede zur Erwachsenenmedizin wahrscheinlich nicht so bewusst sind. Auch passieren die Fehler eher am Beginn der Ausbildung oder beim Wechsel in eine neue Abteilung.
Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit
Am diesjährigen Tag für Patientensicherheit wurde dazu aufgerufen, dass sich alle für eine bessere Patientensicherheit einsetzen: Patienten, Gesundheitspersonal, Politiker und Wissenschaftler. Wie diese Arbeit zeigt, könnte eine bessere Kommunikation unter den Heilberuflern und zwischen Ärzten und Apothekern sowie Patienten einen entscheidenden Beitrag leisten.
Auch wird wieder einmal klar, wie wichtig Studien mit Kindern sind und dass PUMA-Zulassungen (Pediatric Use Marketing Authorisation) nicht nur zu einer besseren Versorgung führen, sondern auch einen Beitrag zu einer verbesserten Arzneimitteltherapiesicherheit leisten können.
Wissenschaftler vom Zentrum für Arzneimittelsicherheit (ZAMS) in Leipzig stellen in der November-Ausgabe der Medizinischen Monatsschrift für Pharmazeuten vor, wie arzneimittelbezogene Probleme, Medikationsfehler und daraus resultierende vermeidbare unerwünschte Ereignisse bei Kindern und Jugendlichen identifiziert werden können und bedarfsgerechte Lösungsstrategien entwickelt werden.
Die Ausgabe erscheint am 1. November 2019.