In einer Studie blieb die Muskelkraft bei Ratten, die einer Marssimulation ausgesetzt waren, durch den in roten Trauben vorkommenden Wirkstoff Resveratrol im Vergleich zu einer Kontrollgruppe erhalten.
Einfluss der Schwerelosigkeit auf die Muskeln
Die Reise ins Weltall und zu fremden Planeten hat die Menschheit schon immer fasziniert. Was die vollkommene Schwerelosigkeit auf den menschlichen Körper bewirkt, ist nach unzähligen Weltallmissionen bekannt. Insbesondere der Muskelabbau sei hier erwähnt. Bekannt ist auch, dass sich die Muskeln nach Rückkehr auf die Erde regenerieren. Doch funktioniert diese Regeneration auch auf Planeten, auf denen eine geringere Schwerkraft als auf der Erde herrscht? Auf dem Mars entspricht die Schwerkraft nämlich nur einem Drittel der Schwerkraft der Erde. Was würde also passieren, wenn der Mensch nach monatelanger Reise in vollkommener Schwerelosigkeit auf dem Mars ankommt? Gäbe es die Möglichkeit mit einem Wirkstoff, dem Prozess des Muskelabbaus entgegenzuwirken?
Marssimulation an Ratten
Dieser Fragestellung sind Forscher aus Boston nachgegangen und untersuchten, inwieweit sich die Muskelkraft bei Ratten sowohl unter normalen Erdbedingungen als auch in einer Marssimulation jeweils von Ratten unterschied, die zusätzlich Resveratrol erhielten. Resveratrol ist ein Polyphenol, das insbesondere in roten Trauben (Rotwein) und Heidelbeeren vorkommt. Es wirkt antiinflammatorisch, antioxidativ und antidiabetisch. Darüber hinaus ist es für seine knochen- und muskelerhaltende Wirkung bekannt. Für den Versuch wurden 24 männliche Ratten für 14 Tage in zwei Gruppen eingeteilt. Die eine Gruppe wurde unter normalen Erdbedingungen mit bekannter Schwerkraft gehalten. Die andere Gruppe wurde in einer Marssimulation einer im Vergleich zur Erde nur 40%igen Schwerkraft ausgesetzt. Die Hälfte der Ratten in jeder Gruppe bekam zusätzlich den Wirkstoff Resveratrol (150 mg/kg/Tag) über eine Spritze in einer Sucrose-Wasser-Mischung oral verabreicht. Gewicht und Wadenumfang der Tiere sowie die Muskelkraft an den Extremitäten wurden wöchentlich bestimmt.
Resveratrol wirkt Muskelabbau entgegen
Resveratrol hatte keinen Einfluss auf das Gewicht der Tiere. Auch der Wadenumfang wurde durch Resveratrol nicht beeinflusst, nahm erwartungsgemäß in beiden Gruppen der Marssimulation ab und unterschied sich signifikant von den beiden anderen Gruppen, die unter Erdbedingungen gehalten wurden. Nach 14 Tagen waren die Ratten, die der 40%igen Schwerkraft ausgesetzt waren und kein Resveratrol erhalten hatten, die einzigen, die einen geringeren Endwert bei der Muskelkraft der Vorderpfoten hatten als zu Beginn der Versuchsreihe. Der Wert war auch signifikant geringer als in den drei anderen Gruppen. Bei den Hinterpfoten der Tiere konnte eine signifikante Abnahme der Muskelkraft in der Gruppe der Marssimulation ohne Resveratrol bereits nach 7 Tagen beobachtet werden. Durch die Supplementierung mit Resveratrol konnte die Abnahme der Muskelkraft in allen Extremitäten vollständig aufgehoben werden.
Die Autoren geben als möglichen Erklärungsansatz, dass Resveratrol die Insulinsensitivität durch den positiven Effekt auf die Glucosehomöostase und die GLUT4-Expression im Skelettmuskel verbessere und damit den Wiederaufbau des Muskels fördere. Für die Kontraktion eines Muskels wird nämlich Glucose benötigt. Alternativ könne die muskelerhaltende Wirkung auch durch die antioxidative und antiinflammatorische Wirkung von Resveratrol begründet sein. In dem Fall wären andere Polyphenole, wie sie in trockenen Pflaumen zu finden sind, auch von Bedeutung.
Ist Rotwein die Lösung?
So schön die Idee einer Supplementierung mit Resveratrol zum Muskelerhalt sein mag, so gibt es einige Einschränkungen, die diese Studie mit sich bringt. Zum einen wurde der Versuch mit Ratten durchgeführt. Ob die Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind, bleibt daher offen. Zudem wurden ausschließlich männliche Ratten getestet. Es ist also unklar, ob die Ergebnisse so auch auf das weibliche Geschlecht übertragbar sind. Bei Menschen ist das Verhältnis von Muskel- zu Fettmasse bei Frauen und Männern zumindest unterschiedlich. Ob mit ähnlichen Ergebnissen bei weiblichen Teilnehmern zu rechnen ist, sollte in zukünftigen Studien untersucht werden. Die täglich verabreichte Resveratrol-Dosis lässt sich beim Menschen durch Rotwein oder Traubensaft übrigens nicht decken. Dafür müsste ein 70 kg schwerer Erwachsener je nach Rebsorte durchschnittlich 3500 Liter Rotwein oder 105 000 Liter roten Traubensaft täglich konsumieren.