Fördern Arzneimittel Allergien?

Kinderarzneimittel Alkindi® ohne Zusatznutzen: beschämend!

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat sich entschieden, einem speziell für Kinder entwickelten Arzneimittel keinen Zusatznutzen zuzusprechen. In meinen Augen eine unverständliche Entscheidung.

Was sind PUMA-Arzneimittel?

Alkinidi® (Hydrocortison) wurde im Februar 2018 von der Europäischen Kommission ab der Geburt zur Ersatztherapie bei Nebenniereninsuffizienz zugelassen. Geschmack und niedrige Dosierung sind die Vorteile gegenüber anderen Präparaten. Die EMA hat dem Arzneimittel eine Paediatric Use Marketing Autorisation (PUMA) erteilt. Diese spezielle Zulassung sichert dem Hersteller bis zu 10 Jahre Marktschutz, wenn das Arzneimittel speziell für Kinder entwickelt wurde.

Skandalös!

Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll: Die Entscheidung ist unnachvollziehbar, kurzsichtig und meines Erachtens schlichtweg falsch. Ein Vertreter der Initiative Arzneimittel für Kinder e. V. nennt sie gar skandalös (PDF).

Meiner Meinung nach sollte für PUMA-Arzneimittel dasselbe gelten wie für Arzneimittel mit Orphan-Drug-Status – nämlich dass der Zusatznutzen durch die Einstufung als PUMA belegt ist. Denn dies ist in meinen Augen ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) bei einer besonders vulnerablen Patientengruppe.

Laut G-BA ist die Ableitung des Zusatznutzens unter anderem nicht möglich, da kein Evidenztransfer möglich sei (PDF). Begründung dafür: Alkindi® wurde nur an Neugeborenen und Kindern getestet, es gebe allerdings keine vergleichenden Studien an Erwachsenen. In meinen Augen absurd, da es bei diesem Arzneimittel nicht um die Entwicklung eines neuen Wirkprinzips ging, sondern um die kindgerechte Aufbereitung eines etablierten Wirkstoffs (variable niedrige Dosierungen, geschmacksmaskiert). Die Tauglichkeit dieser ist wiederum nicht an Erwachsenen prüfbar.

Zudem hat der G-BA als zweckmäßige Vergleichstherapie Tabletten oder Rezepturen angegeben – sprich: letzten Endes ein nicht für die Patientengruppe geprüftes Arzneimittel. Einfach die Erwachsenendosis gewichtsadaptiert anzupassen – sei es als Rezeptur oder als geteilte/zermörserte Tablette – birgt daher mehr Risiken. Nicht nur, weil Kinder unter anderem einen anderen Stoffwechsel als Erwachsene haben, sondern auch, weil die Manipulation eines Arzneimittels immer eine Gefahr für Fehldosierungen darstellt. Alkindi® dagegen wird in vier verschiedenen Stärken  (0,5 mg/1 mg/2 mg/5 mg) angeboten, die somit genaue Dosierungen ermöglichen.

Fragliche Bewertungskriterien?

Im Prinzip müssten, wenn man den Zusatznutzen denn unbedingt einordnen möchte, andere Bewertungskriterien gelten, z. B.:

Wie viele Anwendungsfehler passieren, weil Laien (in diesem Fall Eltern) mit der korrekten Teilung, Zerkleinerung usw. der Erwachsenenpräparate überfordert sind?
Dahingehend ist in meinen Augen der einzige Wermutstropfen bei Alkindi®, dass auch hier die Kapsel geöffnet werden muss. Das stellt wieder ein potenzielles Risiko für eine Fehldosierung dar, auch wenn die Kapseln als leicht entleerbar beschrieben werden.

Wie oft verweigert das Kind wegen des ekligen Geschmacks des Erwachsenenpräparats die Einnahme im Vergleich zum geschmacksmaskierten Kinderarzneimittel? Denn – altbekannte Weisheit – selbst das wirksamste Arzneimittel wirkt nur, wenn es genommen wird.

Wirtschaftlichkeit vor Versorgungsqualität

Nicht zuletzt macht dies die Bemühung zunichte, mehr Hersteller dazu zu motivieren, neue Arzneimittel für Kinder zu entwickeln bzw. bereits zugelassene Arzneimittel auf Tauglichkeit für Kinder zu testen. Wenn diese Präparate unwirtschaftlich sind, wird kein Hersteller mehr Zeit und Geld in solche Mittel investieren. Denn in der Regel wird für ein Arzneimittel ohne bescheinigten Zusatznutzen der Preis der Festbetragsgruppe angesetzt.

Der G-BA setzt sich aus Vertretern der Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zusammen. Er legt unter anderem fest, welche Leistungen der medizinischen Versorgung von der GKV im Einzelnen übernommen werden und sorgt für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Gesundheitsversorgung.

Wirtschaftliche Verordnungen hin oder her – Qualität hat ihren Preis. Und wenn wirtschaftliche Versorgung heißt, dass man an der Versorgungsqualität von Kindern vergleichsweise kleine Summen spart, läuft eindeutig etwas ganz gewaltig aus dem Ruder! Vor allem, wenn man bedenkt, dass das Geld offensichtlich ausreicht, um Kassenvorständen üppige Boni auf das sechsstellige Jahresgehalt zu zahlen.

Alles in allem ein Schlag ins Gesicht aller, die täglich an der Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit arbeiten!

Sie befürworten die Entscheidung des G-BA?

Dann lesen Sie den Beitrag meines Kollegen Stefan Fischer!