Schränkt Cannabis das Denken ein?

Cannabiskonsum steht im Verdacht, sich auch langfristig negativ auf die geistige Leistungsfähigkeit auszuwirken. Eine größere Metaanalyse konnte das nicht bestätigen. Die gefundenen Defizite waren nur geringfügig und scheinen nach längerer Abstinenzzeit wieder nachzulassen.

Zumindest im akuten Rauschzustand wirkt sich Cannabis unbestreitbar negativ auf die kognitiven Fähigkeiten aus. Unklar war bisher, ob der Effekt auch langfristig anhält – gerade wenn der Cannabiskonsum schon vor längerer Zeit eingestellt wurde. Zwar deuten Studien das an, doch sind die Ergebnisse sehr inkonsistent. Das Team um Scott et al. hat deshalb die Studienlage in einer Metaanalyse untersucht.

Ihr Ergebnis: Cannabis schränkt die geistige Leistungsfähigkeit zwar signifikant, jedoch nur sehr gering ein. Ob sich die in der Studie gefundenen Ergebnisse überhaupt klinisch auswirken, finden die Autoren sehr fragwürdig. Zudem war der Effekt bei einer längeren Abstinenzzeit deutlich geringer. Also könnte die beeinträchtigte Leistungsfähigkeit auch einfach auf die Restwirkung des akuten Konsums zurückzuführen sein, so die Autoren.

Unterschiedliche Fähigkeit, unterschiedliche Wirkung

Für die Analyse betrachteten die Autoren 69 Beobachtungsstudien. In allen wurde der Zusammenhang zwischen kognitiver Leistungsfähigkeit und exzessivem Cannabiskonsum untersucht. Die Autoren beurteilten nicht nur den Gesamteffekt, sondern auch die Auswirkungen auf einzelne kognitive Domänen.

Cannabiskonsumenten zeigten signifikante Defizite gegenüber Nicht-Konsumenten in den Domänen Lernen, Aufmerksamkeit, Erinnerungsvermögen und exekutive Funktionen. Auch die Leistungsfelder Sprache, räumliche Wahrnehmung und motorische Fähigkeiten waren beeinträchtigt – allerdings nicht signifikant. Im Gegensatz zu früheren Studien ergab sich kein Zusammenhang zwischen einem früheren Konsumbeginn und dem Ausmaß der negativen Effekte.

Kaum Defizit nach 72 Stunden

Da in den meisten Studien eine Abstinenzzeit vor den kognitiven Tests gefordert war, konnte das Ergebnis auch nach diesem Kriterium analysiert werden. Hatten die Teilnehmer mehr als 72 Stunden kein Cannabis mehr konsumiert, war das Defizit in den kognitiven Leitungen gegenüber den Nicht-Konsumenten kaum noch vorhanden und zudem statistisch nicht mehr signifikant. Ob durch längere Abstinenz die geistige Fähigkeit wieder hergestellt werden kann, müsste in größeren longitudinalen Studien untersucht werden, so die Studienautoren. Zudem sollten zukünftige Studien auch die individuelle Anfälligkeit für Cannabis-Effekte untersuchen.

Wie wurde untersucht?

Die Studien umfassten insgesamt 8727 Teilnehmer, davon 2152 Cannabiskonsumenten und 6575 Menschen mit geringem oder keinen Konsum. Neben demographischen und klinischen Faktoren der Teilnehmer wie dem Alter des erstmaligen Cannabiskonsums, wurde auch die Abstinenzzeit vor Studienbeginn in der Metaanalyse berücksichtigt. 22 Studien forderten keine Abstinenz oder legten keine Kriterien fest, 32 Studien hatten eine Abstinenzdauer zwischen einer und 72 Stunden, 15 Studien forderten mehr als 72 Stunden. Die in den Studien durch Tests ermittelten Ergebnisse wurden für die Metaanalyse zu einer standardisierten Differenz umgerechnet, wobei negative Werte eine Verschlechterung unter Cannabis andeuten.

Quelle

Scott JC et al. Association of cannabis with cognitive functioning in adolescents and young adults, a systematic review and meta-analysis. JAMA Psychiatry published online April 18, 2018. doi:10.1001/jamapsychiatry.2018.0335

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