Vorschlag für neue Klassifizierung der Parkinson-Krankheit

Einige Parkinson-Forscher monieren, dass die klinische Einteilung für die Parkinson-Krankheit dem heutigen Wissen der Pathomechanismen nicht mehr gerecht werde. Sie schlagen eine biologisch orientierte Klassifizierung vor – zumindest für die klinische Forschung. Ihre „SynNeurGe-Forschungskriterien“ haben sie in einem Beitrag im Lancet Neurology vorgestellt.

Exakte Klassifizierung essenziell für Entwicklung kausaler Therapien

Inzidenz und Prävalenz der Parkinson-Krankheit steigen. In Deutschland geht man aktuell von etwa 200.000 Betroffenen aus. Die Diagnose und die Zuordnung zu den einzelnen Parkinson-Formen erfolgen in erster Linie anhand klinischer Kriterien.

Zur symptomatischen Therapie steht neben Levodopa/Carbidopa inzwischen eine Vielzahl an Add-on-Arzneimitteln sowie nichtmedikamentöser Verfahren wie tiefe Hirnstimulation zur Verfügung. Kausale Therapien gibt es bislang noch nicht. Forscher hoffen jedoch, in den kommenden Jahrzehnten Therapien einsetzen zu können, die an den molekularen Ursachen ansetzen. Immerhin sind inzwischen verschiedene Genmutationen bekannt, die das Erkrankungsrisiko erhöhen.

Eine Besonderheit der Parkinson-Krankheit ist die sogenannte Prodromalphase: Frühsymptome (Prodromi) können schon Jahrzehnte vor klinischen Symptomen auftreten. Dazu gehören z. B. α-Synuclein-Ablagerungen im Gehirn. In diesem Frühstadium ist die Parkinson-Krankheit allerdings nur schwer von verwandten Entitäten unterscheidbar, bei denen ebenfalls α-Synuclein-Aggregate entstehen, darunter die Lewy-Körperchen-Demenz. Diese Ablagerungen sind meist als sogenannte Lewy-Körperchen histologisch im Gewebe nachweisbar. Die prinzipiellen Pathomechanismen sind bei sporadischen und genetischen Parkinson-Formen zwar die gleichen, es gibt jedoch auch Parkinson-Formen ohne Lewy-Körperchen.

Weg von klinisch basierten Ansätzen, hin zu biologischen Mechanismen

Zum Nachweis einer α-Synuclein-Pathologie sind sensitive und spezifische Biomarker nötig. Ihre Entwicklung ist in letzter Zeit vorangeschritten. Die Autoren der aktuellen Lancet-Neurology-Publikation sehen es daher inzwischen als notwendig an, anstelle weitgehend klinisch basierter Diagnoseansätze die biologischen Grundlagen der Erkrankung in den Vordergrund zu stellen. Anhand ihres „SynNeurGe“-Systems (S-N-G) soll es möglich werden, die molekularen Grundlagen der Parkinson-Krankheit bereits vor dem Auftreten von Symptomen zu definieren, identifizieren und gezielt therapeutisch anzugehen. Die drei Hauptkomponenten sind:

  1. Vorhandensein oder Fehlen von pathologischem α-Synuclein (S) in Geweben oder im Liquor
  2. Hinweise auf eine zugrunde liegende Neurodegeneration (N), definiert durch bildgebende Verfahren
  3. Nachweis von Parkinson-spezifischen pathogenen Genvarianten (G)

Sie sind mit einer klinischen Komponente (C) verknüpft, die entweder durch ein einzelnes klinisches Merkmal mit hoher Spezifität oder durch mehrere klinische Merkmale mit geringerer Spezifität definiert ist. Ein übergreifender biologischer Ansatz soll die Variabilität der Parkinson-bedingten Neurodegeneration von Person zu Person berücksichtigen.

Fortschritte in Grundlagenforschung und klinischer Forschung erhofft

Die Autoren betonen, dass diese Kriterien zunächst ausschließlich für die Forschung anzuwenden seien. Das Klassifikationssystem könne als Grundlage für zukünftige biomarkerbasierte Subgruppen- und Staging-Systeme dienen – etwa für die Stratifizierung der Kohorten in Studien, um an unterschiedlichen molekularen Mechanismen ansetzende Arzneimittel valide auf ihre Wirksamkeit untersuchen zu können.

Der Neurologe Prof. Dr. med. Günter Höglinger, München, fasst den Klassifizierungsvorschlag in einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie folgendermaßen zusammen:

Der aktuelle Forschungsvorschlag ist der erste Schritt in einem entscheidenden Prozess, um die Parkinson-Forschung von einem rein klinischen Ansatz hin zu einem biologischen Ansatz zu bewegen – was die Hoffnung auf die Entwicklung von krankheitsmodifizierenden Therapien weiter stärkt.

Quellen

  • Höglinger GU, et al. A biological classification of Parkinson’s disease: the SynNeurGe research diagnostic criteria. Lancet Neurol 2024;23:191–204. https://doi.org/10.1016/S1474-4422(23)00404-0
  • Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) „SynNeurGe-Forschungskriterien: Eine neue biologische Klassifikation der Parkinson-Krankheit“ vom 24.01.2024