Levothyroxin ist das am zweithäufigsten verschriebene Medikament in Deutschland. Aber ist eine Substitutionstherapie immer notwendig? Epidemiologische Daten wurden auf dem Henning-Symposium „Schilddrüse 2023“ vorgestellt.
Häufige Verordnung von Levothyroxin
Nach Einführung der Jodierung des Speisesalzes zur Prävention eines Jodmangels Anfang der 1980er-Jahre hätten Jod-bedingte Schilddrüsenerkrankungen eigentlich abnehmen müssen.
Levothyroxin-Verschreibungen sind jedoch über die letzten zehn Jahre gestiegen. Mittlerweile ist es das am zweithäufigsten verordnete Medikament in Deutschland.
Die Verschreibung von Jodtabletten, als Mittel der Wahl bei Struma und Struma nodosa, ist jedoch rückläufig.
TSH-Grenzwerte abhängig von Jodversorgung
Referenzwerte für das Thyreoidea-stimulierende Hormon (TSH) werden in einer gesunden Teilpopulation erstellt. Professor Henry Völzke, Epidemiologe aus Greifswald, erläuterte, dass diese Verteilung jedoch vom Jodstatus der jeweils untersuchten Population abhängig ist. So ist die TSH-Verteilung in jodreichen Regionen nach rechts verschoben und die Grenzwerte sind entsprechend höher. In einem Jodmangel-Gebiet ist es umgekehrt.
Aber auch wenn die TSH-Werte verändert, also außerhalb des jeweiligen Referenzbereichs liegen, muss das nicht immer therapeutische Konsequenzen haben, so Völzke.
So basiert die Behandlungsentscheidung bei anderen Krankheitsbildern, beispielsweise Hypertonie, nicht allein auf Referenzwerten, sondern auch auf weiteren Symptomen und Spätkomplikationen.
Erhöhte TSH-Referenzwerte haben bislang jedoch keine prognostische Bedeutung. Deshalb sollten für eine Therapieentscheidung andere Kriterien herangezogen werden und weitere Fragen gestellt werden, so Völzke.
„Wie sehen die Leute mit erhöhten Werten zehn Jahre später aus, haben sie zum Beispiel Vorhofflimmern?“
Bereits 2017 wurden niedrige TSH-Werte mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko in Verbindung gebracht. Weitere Studien sind allerdings notwendig.
Neue TSH-Referenzwerte braucht das Land
Mehr als 30 Millionen Krankenversichertendaten der GePaRD-Datenbank zeigen, dass die Zahl der TSH-Messungen gestiegen ist. Ultraschalluntersuchungen und Schilddrüsenbiopsien sind jedoch konstant geblieben, Radioiodtherapien und Schilddrüsenoperationen sind rückläufig.
Da der TSH-Wert von der Jodversorgung abhängig ist, bedarf es aufgrund der geänderten Jodversorgung einer Neubewertung von TSH-Referenzwerten.