Tropenkrankheiten auch in Deutschland?

In einer Pressekonferenz anlässlich des 16. Kongresses für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin erläuterte Prof. Dr. med Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, Hamburg, mit welchen von Mücken übertragenen Erkrankungen zukünftig häufiger zu rechnen ist und was man dagegen tun kann.

Mücken profitieren von wärmeren Temperaturen

Mücken sind die großen Profiteure von Klimawandel und zunehmendem Reise- und Warenverkehr: Zum einen können sie sich bei wärmerem Wetter oft besser vermehren und sie werden durch vermehrte Reiseaktivitäten in neue Gebiete eingeschleppt, erläuterte Schmidt-Chanasit. So ist beispielsweise die Tigermücke in weiten Teilen Europas angekommen (und wird dort auch bleiben). Auch die Gelbfiebermücke hat sich weiter ausgebreitet. Beides sind wichtige Überträger von viralen Erkrankungen wie Dengue und Chikungunya.

Ausbreitung von Arboviren

Dengue

Eine der sich am schnellsten ausbreitenden zoonotische Erkrankungen weltweit ist Dengue. Bisher sind keine in Deutschland übertragenen Fälle bekannt und auch zukünftig wird es laut Schmidt-Chanasit wahrscheinlich keine großen Ausbrüche, sondern einzelne Cluster geben. Denn möglich ist die Übertragung auch hier, weil die Tigermücke infizierte Reiserückkehrer stechen, so das Virus aufnehmen und weitertragen kann.

Schmidt-Chanasit empfahl deswegen, Mückenschutz auch nach Rückkehr aus einem Denguegebiet weiterzuführen, um eine mögliche Übertragung in Deutschland zu verhindern. Denn da die Erstinfektion meist asymptomatisch ist, könne man auch Träger sein, ohne es zu bemerken.

Seit Anfang 2023 steht überdies eine Reiseimpfung gegen Dengue zur Verfügung, die bereits verimpft werden kann, auch wenn die Empfehlung der STIKO noch aussteht. Das erklärte Ziel der WHO ist: keine denguebedingten Todesfälle mehr ab 2030.

Das wird der Impfstoff alleine nicht schaffen. Das muss zusammen gedacht werden und da spielt natürlich die Mückenkontrolle eine entscheidende Rolle.

Die Mückenbekämpfung sollte vorzugsweise „grün“ geschehen und nicht durch den Einsatz von Pestiziden. So berichtete Schmidt-Chanasit von guten Erfolgen mit Wolbachia-Bakterien. Sind Gelfiebermücken infiziert, kann sich das Denguevirus in den Mücken so gut wie gar nicht mehr replizieren und die Mücken geben die Bakterien bei Vermehrung auch an ihre Nachkommen weiter. In einem Versuch wurden Gelfiebermücken im Labor mit dem Bakterium infiziert und in einer indonesischen Stadt wieder ausgebracht. Andere Gebiete ohne die mit Wolbachia-Bakterien infizierte Mücke dienten als Kontrolle. So konnte ein etwa 70%iger Schutz vor virologisch bestätigten Dengue-Infektionen erreicht werden. Inwiefern damit eine nachhaltige Dengue-Eindämmung möglich ist, bleibe abzuwarten.

West-Nil-Fieber

Im Gegensatz zu Denguefieber und Chikungunya wird das West-Nil-Virus von der heimischen Hausmücke übertragen. Meistens verläuft die Infektion leicht oder sogar symptomlos, bisher gab es einen registrierten Todesfall. Die Erkrankung wird sich jedoch weiter ausbreiten und vor allem im Spätsommer mehr Infektionen verursachen.

Eine Impfung wird in absehbarer Zeit nicht verfügbar sein, bisher ist kein Studienprogramm über Phase II hinausgekommen. Lediglich für Pferde ist ein Impfstoff auf dem Markt.

Chikungunya

Ein größeres Problem als das West-Nil-Fieber ist Chikungunya, das nach der akuten Infektion mit langanhaltenden Arthralgien einhergehen kann (30 bis 40%der Infizierten). Momentan ist das Virus noch hauptsächlich in Asien und Südamerika stark verbreitet, aber seit einigen Jahren gab es in südeuropäischen Ländern immer wieder einzelne Ausbrüche.

Ein Impfstoff gegen Chikungunya-Viren wird wahrscheinlich bald zugelassen, so Schmidt-Chanasit. In den USA und Kanada ist die Zulassung für den abgeschwächten Lebendimpfstoff bereits beantragt. Aktuell wurden erste Daten aus einer Phase-III-Studie veröffentlicht, in der gute Antikörpertiter durch die Impfung erreicht wurden.

Quelle

Prof. Dr. med Jonas Schmidt-Chanasit, Hamburg. Mücken und Klimawandel – eine krankheitsbringende Kombination Wo breiten sich Dengue-, Zika- und Chikungunya-Erkrankungen aktuell aus, und welche Neuerungen gibt es bei Mückenbekämpfung und Impfungen? Online-Pressekonferenz anlässlich des 16. Kongresses für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin – KIT 2023. Online 15. Juni 2023.