Welches Arzneimittel nach Natalizumab?

In einer Kohortenstudie wurden Dimethylfumarat, Fingolimod und Ocrelizumab als Anschlusstherapie auf Natalizumab bei Patienten mit multipler Sklerose verglichen. Besonders gut schnitt Ocrelizumab ab.

Seltene, aber lebensbedrohliche Komplikation einer MS-Therapie

Die progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML) ist eine seltene, demyelinisierende Erkrankung des ZNS, deren Auslöser das JC-Virus ist. Sie tritt in der Regel nur bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem auf, so beispielsweise auch unter immunsuppressiver Therapie. Die Symptome sind vielfältig, je nachdem welche Nerven betroffen sind: Es kann unter anderem zu Sprach- und Sehstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten und Verwirrtheit, aber auch motorischen Störungen kommen. Der Erreger persistiert im Körper und kann bei geschwächter Immunabwehr reaktiviert werden.

Ein Wirkstoff, der vor allem bei länger andauernder Therapie im Verdacht steht, ein erhöhtes Risiko für eine PML zu bergen, ist Natalizumab, das bei schubförmig remittierender multipler Sklerose (RRMS) eingesetzt wird. Werden bei einem Patienten unter Natalizumab Antikörper gegen das JC-Virus nachgewiesen, sollte ein Therapiewechsel erfolgen. In einer retrospektiven Kohortenstudie wurde dazu untersucht, welches Arzneimittel besonders geeignet für die Anschlussbehandlung ist. Verglichen wurden dazu Dimethylfumarat, Fingolimod und Ocrelizumab.

Vergleich mehrerer MS-Medikamente in Kohortenstudie

Es wurden Daten von 1386 Patienten (71% weiblich), die mindestens sechs Monate Natalizumab erhalten hatten, ausgewertet. Eine weitere Bedingung war, dass sie innerhalb von drei Monaten nach Absetzen mit einer neuen Behandlung begonnen hatten. Dabei stiegen 138 auf Dimethylfumarat, 823 auf Fingolimod und 425 auf Ocrelizumab um. Primärer Endpunkt der Studie war die jährliche Rückfallquote (annualized relapse rate [ARR]). Weitere Endpunkte waren beispielsweise Verbesserungen im Grad der Behinderung oder die Rate an Therapieabbrüchen.

Vorteil Ocrelizumab

Die jährliche Rückfallquote ARR lag bei 0,06 unter Ocrelizumab, bei 0,26 unter Fingolimod und bei 0,27 unter Dimethylfumarat. Der Unterschied zwischen Fingolimod und Ocrelizumab sowie zwischen Dimethylfumarat und Ocrelizumab war signifikant (ARR-Ratio von 4,33 bzw. 4,50). Auch die Zeit bis zum ersten Rückfall war unter Ocrelizumab signifikant länger.

Hinsichtlich einer Verbesserung des Behinderungsgrads gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen Fingolimod und Ocrelizumab (kein Vergleich mit Dimethylfumarat).

Die Patienten unter Fingolimod oder Dimethylfumarat brachen die Behandlung häufiger ab als unter Ocrelizumab (285 von 823 vs. 51 von 138 vs. 31 von 425). Der Hauptgrund für das Beenden der Therapie war mangelnde Wirksamkeit bei Fingolimod und Dimethylfumarat, bei Ocrelizumab waren es die Nebenwirkungen.

Die Autoren resümieren, dass in der vorliegenden Studie der Wechsel von Natalizumab auf Ocrelizumab – verglichen mit Dimethylfumarat und Fingolimod – mit der niedrigsten Rückfallquote, seltenerem Abbrechen der Behandlung, einer geringeren Behinderungsprogression und der längsten Zeit bis zum nächsten Schub verknüpft war.

Quelle

Zhu C, et al. Comparison Between Dimethyl Fumarate, Fingolimod, and Ocrelizumab After Natalizumab Cessation. JAMA Neurol 2023; published online. doi:10.1001/jamaneurol.2023.1542