Unter dem Motto „Herzinsuffizienz-Epidemie: Mechanismen erforschen, Herzen heilen“ fand vom 12. bis 15. April 2023 in Mannheim die 89. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) statt. Namhafte Experten stellten zahlreiche neue Forschungsergebnisse und Leitlinienempfehlungen vor und diskutierten gemeinsam mit den Besuchern Fragestellungen rund ums Herz.
Herzinsuffizienz ist häufigste Einweisungsdiagnose
Bei einer Herzinsuffizienz ist das Herz nicht (mehr) in der Lage, die Organe mit genügend Blut und damit einhergehend mit Sauerstoff und Substraten zu versorgen. In Deutschland sind etwa 4 Millionen Menschen von einer chronischen Herzinsuffizienz betroffen. Nach wie vor ist sie der häufigste Grund für eine Krankenhauseinweisung. Zwar sei die Mortalität in den letzten Jahren gesunken, wie Tagungspräsident Prof. Dr. Lars Maier, Regensburg, in der Eröffnungspressekonferenz zur DGK-Jahrestagung ausführte, die 5-Jahres-Sterblichkeit sei aber mit bis zu 50% immer noch hoch und vergleichbar mit vielen Krebserkrankungen.
Zu den Ursachen einer Herzinsuffizienz gehören:
- Koronare Herzkrankheit (KHK) und Herzinfarkt
- Bluthochdruck
- Diabetes mellitus
- Herzklappenerkrankungen
- Rhythmusstörungen
Dass die Herzinsuffizienz so häufig ist, spiegelt sich auch in der Anzahl der Verordnungen wider: Die zur Therapie eingesetzten Vertreter der Betablocker und Inhibitoren des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS) gehören mit 110 Millionen Verordnungen pro Jahr zu den am meisten verordneten Arzneimitteln in Deutschland.
Ein neueres Wirkungsprinzip ist die Hemmung des Natrium-Glucose-Cotransporters 2 (SGLT2). SGLT2-Inhibitoren wurden ursprünglich für die Therapie bei Typ-2-Diabetes entwickelt. Wie sie genau am Herzen wirken, ist noch nicht vollständig bekannt. In diesem Zusammenhang spielt auch die Hemmung der an der Entstehung der Herzinsuffizienz beteiligten Calcium/Calmodulin-abhängigen Proteinkinase II (CaMKII) eine Rolle. Als Beispiele von aktuell erforschten Prinzipen nannte Maier einen gentherapeutischen Ansatz (CRISPR-Cas9), über den die CaMKII-Aktivierung inhibiert werden soll, und ein Anti-micro-RNA-132-Prinzip, um die Herzfunktion nach einem Herzinfarkt zu stärken. Letzteres wird gerade im Rahmen einer Phase-II-Studie getestet.
Von ACE-Hemmern zur Präzisionstherapie
Prof. Dr. Stephan Baldus, Köln, zufolge ist die medikamentöse Erstlinientherapie der Herzinsuffizienz als Erfolg zu werten: Betrug die 1-Jahres-Sterblichkeit der Herzinsuffizienz im Jahr 1987 in Studien mit ACE-Hemmern in der Placebo-Gruppe noch etwa 52%, konnte sie im Jahr 2019 in den Studien zu SGLT2-Hemmern in der Verum-Gruppe auf etwa 6% reduziert werden. Deutschland fiel allerdings in den letzten zehn Jahren als Studienstandort von Platz 2 auf Platz 6 zurück. Baldaus bedauerte, dass zudem nur ein Fünftel der Studien auf den Bereich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen falle. Maier betonte unter anderem, dass es unabdingbar sei, in die Aus- und Weiterbildung des medizinischen Nachwuchses zu investieren.
Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen hängt weit hinter der Onkologie zurück
Eine wichtige Rolle spielt die Prävention – insbesondere wenn man bedenkt, dass eine chronische Herzinsuffizienz nach wie vor nicht heilbar ist. Wichtige Risikofaktoren für die KHK sind seit Längerem bekannt: Hypercholesterinämie, Diabetes, Rauchen und Bluthochdruck. Wenn man weiß, dass Bluthochdruck und Hypercholesterinämie Hauptrisikofaktoren sind, sollte es doch möglich sein, die KHK in den Griff zu bekommen, konstatierte Baldus. Das sei aber leider nicht der Fall: Allein in Deutschland muss von mehr als 600.000 unbehandelten Menschen unter 40 Jahre mit Hypercholesterinämie ausgegangen werden. „Diese Menschen zu behandeln, wäre aber maximal effektiv“ – etwa im Vergleich zu anderen Screening-Programmen: Um einen Todesfall in den nächsten 5 bis 15 Jahren zu verhindern, beträgt die „Number needed to screen“ für den Pap-Abstrich 1140 und für Mammographie oder Darmkrebsscreening etwa 3000. Für Dyslipidämie liegt sie bei 418 und für Bluthochdruck sogar nur bei 274.
Wir können nicht einfach zusehen und Präventionsmaßnahmen für unser Fach nicht nutzen.
Nationale Herz-Allianz soll Prävention und Forschung verbessern
Um die Prävention zu verbessern, soll es im Rahmen der „Nationalen Herz-Allianz“ zeitnah zwei erste Früherkennungsprogramme geben: zum einen für Familiäre Hypercholesterinämie bei Kindern zwischen 5 und 14 Jahren, zum anderen für asymptomatische Herzinsuffizienz. Hier soll auch das vergangene Woche gestartete Portal herzmedizin.de einen wichtigen Beitrag leisten.
Quelle
Eröffnungspressekonferenz zur 89. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), 12. April 2023