Viele Palliativpatienten verwenden Arzneimittel aus der Komplementär- und Alternativmedizin (KAM). Prof. Dr. Jutta Hübner aus Jena nahm beim Deutschen Schmerz- und Palliativtag 2023 einige in der palliativen Onkologie eingesetzten Präparate genauer unter die Lupe.
Nicht alles ist sinnvoll
Greifen Palliativpatienten zu KAM-Arzneimitteln, geschieht das häufig aus dem Wunsch heraus, selbst aktiv zu werden und etwas tun zu können, erläuterte Hübner. Teilweise geschehe das auch auf Druck von Angehörigen. Doch nicht alle Mittel sind empfehlenswert.
Es gibt unheimlich gute Sachen und es gibt ziemlich großen Mist. Es ist eine ärztliche Aufgabe, dass wir unsere Patienten da gut durchlotsen.
Auch sind diese vermeintlich sanften Präparate keinesfalls alle neben- und wechselwirkungsfrei, wie von Patienten und Angehörigen oft vermutet. Manche dieser Mittel können sogar die Wirkung einer Tumortherapie abschwächen oder deren Toxizität erhöhen.
Präparate in der palliativen Onkologie
Misteltherapie
Im palliativen Setting werden die Kosten für die Misteltherapie von der gesetzlichen Krankenkasse getragen. Sie kann laut S3-Leitlinie zur Komplementärmedizin in der Onkologie zur Verbesserung der Lebensqualität eingesetzt werden. Gute Daten aus großen, gut gemachten Studien gibt es dazu jedoch nicht. Hübner stellte Daten aus verschiedenen Studien vor und stellte dabei fest, dass die Präparate aus mehreren Arten und Wirtsbäumen gewonnen und in unterschiedlichen Dosierungen, Mengen und Intervallen eingesetzt werden. Insgesamt hatten die Studien ein hohes Biasrisiko und ein Zusammenhang zwischen Tumorsituation und Art der Mistelverordnung war nicht zu sehen. Auch hinsichtlich der Lebensqualität zeigten sich nur geringfügige und in manchen Untersuchungen gar keine Vorteile der Behandlung.
Hochdosis-Vitamin-C
Die Idee hinter einer Behandlung mit hochdosiertem Vitamin C ist, dass Vitamin C als Antioxidanz in hohen Dosen Tumorzellen in die Oxidation zwingen könnte. Hierfür gibt es jedoch aus Studien keine Belege. Die Anwendung könnte sogar eher problematisch sein, da Antioxidantien die Wirkung von Tumortherapien abschwächen können. Somit ist die Behandlung mit hochdosiertem Vitamin C nicht zu empfehlen.
Generell sei ein Problem bei Vitaminen, Mineralien und Spurenelementen, dass die Studien nicht gut gemacht seien: Zu wenig Patienten, wenig nützliche Endpunkte und vor allem meist keine Spiegelmessungen.
Wir kippen da was in Patienten rein, ohne zu wissen, ob sie einen Mangel haben.
Ingwer bei Übelkeit
Als Add-on zu einer medikamentösen Antiemese zeigt Ingwer eine gute Wirksamkeit bei Übelkeit und Erbrechen. Hübner empfiehlt insbesondere den Tee, aber auch Tabletten sind erhältlich.
Honig bei Mucositis
Honig kann unterstützend bei oraler Mucositis eingesetzt werden. Sie kann dadurch weniger ausgeprägt sein und später beginnen und in Studien zeigte sich ein geringerer Gewichtsverlust bei Patienten unter Strahlentherapie. Am besten geeignet ist ein flüssiger oder sehr weicher Honig (kein Manuka-Honig).
Ginseng, Melatonin oder Omega-3-Fettsäuren bei Fatigue
Ginseng besserte in einer Studie in hohen Dosierungen (1000 bis 2000 mg/Tag) die Fatigue. Die üblichen Drogerie-Präparate sind somit deutlich zu niedrig dosiert, um einer Fatigue entgegenzuwirken, erläuterte Hübner. Da Ginseng Phytoestrogene enthält, darf er nicht von Patientinnen mit estrogenabhängigen Tumoren eingenommen werden.
Bei Melatonin ist nicht klar, wie die Wirkung zustande kommt. Gegebenenfalls helfe es gegen die Fatigue bereits, wenn man besser geschlafen habe.
Omega-3-Fettsäuren werden mit einem geringeren Entzündungsgeschehen in Verbindung gebracht. Da bei höherem CRP-Wert auch die Fatigue stärker ausgeprägt ist, können Omega-3-Fettsäuren gegebenenfalls unterstützend wirken. Hübner empfahl, die Patienten einfach Nüsse oder Mandeln naschen zu lassen.
Zeit schenken als Therapiemaßnahme
Im palliativen Setting ist Kommunikation und insbesondere Zuhören (und Zuwendung) extrem wichtig. Auch deshalb werden diese alternativen Therapien (auch Homöopathie) gut angenommen:
Erstanamnese beim Homöopath ist eine Stunde zuhören!
Quelle
Prof. Dr. Jutta Hübner. Naturheilkunde in der Palliativmedizin – eine Gratwanderung. Deutscher Schmerz- und Palliativtag 2023. Online 17. März 2023.