Systemisch denken, individuell therapieren – so lautet das Motto des diesjährigen Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), der vom 22. bis 25. April 2023 in Wiesbaden und online stattfinden wird. Bei der Jahrespressekonferenz der DGIM wurde am Dienstag eine Erkrankungsgruppe vorgestellt, die das Motto der Tagung sehr gut widerspiegelt.
Diffuse Entzündungen im ganzen Körper – IgG4-assoziierte Erkrankungen
Die IgG4-assoziierten, chronisch-entzündlich fibrosierenden Erkrankungen konnten erst in den letzten Jahren – nicht zuletzt durch die Vernetzung der unterschiedlichen Fachrichtungen – zu einer gemeinsamen Entität zusammengefasst werden. Bei dem Erkrankungskomplex kommt es zu Entzündungsreaktionen, die ein oder mehrere Organe oder das umliegende Bindegewebe betreffen. Dort verursachen sie Fibrosen, bei denen das Organ nach und nach seine spezifische Funktion verliert und zum Schluss in vernarbendes Bindegewebe umgewandelt wird.
Die Pathophysiologie beruht auf einem Zusammenspiel von B-Lymphozyten, IgG4-positiven Plasmazellen, follikulären T-Helferzellen, zytotoxischen CD4-positiven T-Zellen und Makrophagen, die eine Entzündungsreaktion stimulieren, die dann Fibroblasten zur überschießenden Synthese von Bindegewebe anregen. Diese Prozesse werden dann als sogenannte storiforme Fibrose klinisch in einer deutlichen Vergrößerung des oder der betroffenen Organe sichtbar.
Gemeinsam ist den Erkrankungen ein erhöhter Spiegel des Antikörpers IgG4 im Blut. Das Krankheitsbild ist meist diffus und die Folgen können dramatisch sein, so Prof. Dr. med. Ulf Müller-Ladner, Vorsitzender der DGIM 2022/2023 auf der Jahrespressekonferenz der Fachgesellschaft in Berlin.
Die lange Latenz bis zur Diagnose führt häufig dazu, dass mehr als 50% der Patienten zum Diagnosezeitpunkt bereits irreversible Organschädigungen aufweisen. Deshalb kann die Erkrankung trotz therapeutischen Eingreifens auch in jüngeren Jahren tödlich verlaufen. Ein Review über fast 300 Patienten ergab eine Mortalitätsrate von etwa 9% über 30 Monate. Die Erkrankung kann in jedem Alter auftreten, häufig sind die Patienten „mittelalt“, aber auch Kinder und ältere Menschen sind betroffen, so Müller-Ladner.
Bei unerklärten Entzündungsvorgängen an diese Erkrankung denken
Die die Symptomatik so heterogen ist, stellt die Diagnostik eine besondere Herausforderung dar. Sie erfolgt meist über die Bildgebung, um Entzündungsareale im Körper zu identifizieren. Leider helfen der IgG4-Spiegel im Blut und die Bildgebung nicht immer. Die Histologie ist dann häufig der entscheidende Schlüssel zur definitiven Diagnose.
Alle Entzündungsvorgänge, die ungeklärt sind, und alle Fehlfunktionen von Organen, vor allem wenn diese mit einer Bindegewebsvermehrung einhergehen, können auf eine IgG4-assoziierte Erkrankung hindeuten.
Welche Therapieoptionen gibt es?
Die Therapie besteht in einer Gabe von Glucocorticoiden, Dosierungen von mehr als 0,5 mg Prednisolonäquivalent/Kilogramm Körpergewicht führen in der Regel zu einer raschen klinischen Besserung, was dann auch die Zeit für eine gründliche Diagnostik aller Organe ermöglicht. Die Dauer der Cortison-Therapie kann Wochen bis Monate dauern. Wichtig sei erst einmal die Entzündungen im Körper zu stoppen, so Müller-Ladner.
Quelle
Jahrespressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e.V. (DGIM) am 31. Januar 2023 in Berlin (online übertragen).