Antikoagulation weiterführen? Neuer Risikoscore veröffentlicht

Antikoagulationstherapie nach venöser Thromboembolie abbrechen oder fortsetzen? Bei der Risikoabschätzung kann das neue Tool VTE-PREDICT helfen.

Wie weiter nach der Erstbehandlung?

Eine Behandlung mit Antikoagulanzien kann das Rezidivrisiko für venöse Thromboembolien (VTE) wirksam reduzieren, ist aber mit einem erhöhten Risiko für schwerwiegende Blutungen verbunden. Diese wiederum können einen erheblichen Einfluss auf Lebensqualität und Mortalität mit sich bringen. Die ESC-Leitlinien empfehlen, hierbei die Risiken von wiederkehrender VTE und Blutungen gegeneinander abzuwägen.

Zu schätzen, wo der größere Nutzen bzw. mögliche Schaden liegt und zu entscheiden, ob die Therapie nach der Primärbehandlung fortgeführt werden soll, ist jedoch nicht einfach. Selbst bei Patienten mit einem hohen Risiko für Blutungen kann bei einer ebenfalls vorliegenden hohen VTE-Rezidivwahrscheinlichkeit der Nutzen der Antikoagulanzien deren Nachteile überwiegen. Hinzu kommt, dass die Risikoeinschätzung – und damit die Entscheidung für oder wider Antikoagulans – hauptsächlich durch einen Blick auf das Vorhandensein provozierender Faktoren geschieht.

Genauer dank personalisierter Risikoinformationen

Zur Abschätzung des absoluten Blutungsrisikos eines Patienten und bei der Entscheidungsfindung könnte ein Risikoscore helfen, der die individuelle Wahrscheinlichkeit für derartige Ereignisse sowie für VTE-Rezidive vorhersagt. Diesen Ansatz verfolgten die Autoren einer aktuell veröffentlichten Studie mit dem sogenannten VTE-PREDICT Risk Score. Dieser soll dabei helfen, das 5-Jahres-Risiko nach dreimonatiger Antikoagulationstherapie eines Patienten einzuschätzen.

Auskunft über das absolute Risiko

Basis des Modells waren verschiedene Studien (Bleeding Risk Study, Hokusai-VTE, PREFER-VTE, RE-MEDY und RE-SONATE) mit insgesamt rund 15100 VTE-Patienten ohne Krebserkrankung, die eine mindestens dreimonatige Erstbehandlung mit Antikoagulanzien (DOAK, Vitamin-K-Antagonisten, Heparin oder niedermolekulares Heparin) abgeschlossen hatten. Die Validation erfolgte vor dem Hintergrund weiterer Studien (Danish VTE Cohort, EINSTEIN-CHOICE, GARFIELD-VTE, MEGA study und Tromsø-Studie).

Der VTE-PREDICT Risk Score ist als Online-Rechner verfügbar. Das Tool erlaubt die direkte Eingabe von leicht verfügbaren Patientenmerkmalen, Medikation und Krankheitshistorie. Die Auswertung erfolgt in Form einer 1-Jahres- sowie 5-Jahres-Schätzung für VTE-Rezidive sowie für das Blutungsrisiko. Zusätzlich können einzelne Wirkstoffe und ihre jeweiligen Auswirkungen auf die Risiken durchgespielt werden.

Der VTE-PREDICT-Risikoscore kann damit eine individuelle Entscheidungsfindung über eine erweiterte Antikoagulationsbehandlung für Patienten mit VTE unterstützen.

Quelle

de Winter MA, Büller HR, Carrier M, Cohen AT, VTE-PREDICT study group, et al. Recurrent venous thromboembolism and bleeding with extended anticoagulation: the VTE-PREDICT risk score. Eur Heart J 2023. Jan 17:ehac776. doi: 10.1093/eurheartj/ehac776. Epub ahead of print. PMID: 36648242.