Real-World-Daten aus Deutschland zeigen nur geringfügige Unterschiede zwischen DOAK und Phenprocoumon hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit bei Patienten mit Vorhofflimmern.
Mehr DOAK als Phenprocoumon verordnet
Patienten mit Vorhofflimmern erhalten aufgrund des erhöhten Schlaganfallrisikos häufig Antikoagulanzien. In Deutschland war in dieser Indikation viele Jahre lang vor allem der Vitamin-K-Antagonist (VKA) Phenprocoumon im Einsatz. Seit über 10 Jahren sind aber auch die direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) Dabigatran, Rivaroxaban, Apixaban and Edoxaban auf dem Markt. Bereits 2016 hat die Zahl der Verordnungen die der Phenprocoumon-Verordnungen überholt.
In den Zulassungsstudien der DOAK zeigten sich teilweise statistisch signifikante, wenn auch kleine Risikoreduktionen gegenüber VKA oder es konnte zumindest Nichtunterlegenheit gezeigt werden. Allerdings war in diesen Studien immer Warfarin das Vergleichsmedikament, nicht das in Deutschland üblicherweise eingesetzte Phenprocoumon. Somit ist es problematisch, klinische Entscheidungen auf diesen Studien basierend zu treffen.
Daten einer großen retrospektiven Kohortenstudie mit Real-World-Daten sollten nun zeigen, ob die Ergebnisse für DOAK und Warfarin für DOAK und Phenprocoumon gleichermaßen gelten. Bisherige kleinere Studien zum Vergleich von DOAK und Phenprocoumon sowie das etwas andere pharmakologische Profil von Phenprocoumon gegenüber Warfarin legen nahe, dass die Daten nicht 1:1 übertragbar sind, auch wenn es sich um die gleiche Wirkstoffklasse handelt.
Wenig Unterschiede zwischen den Therapieoptionen
In die Studie wurden Daten von 71.961 Patienten mit Vorhofflimmern aufgenommen. 20.179 erhielten Phenprocoumon, 51.782 ein DOAK in Standarddosierung. Patienten mit abweichenden Dosierungen wurden ausgeschlossen. Endpunkte waren thromboembolische Ereignisse, Blutungen oder Tod jeweils innerhalb von 12 Monaten. Die Daten wurden in zwei Modellen analysiert (Cox-Regression und Propensity Score Matching).
Hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit zeigten sich keine großen Unterschiede zwischen den DOAK und Phenprocoumon. Manche Unterschiede zeigten sich auch nicht in beiden Rechnemodellen. Signifikant unterschiedlich war nur
- das niedrigere Blutungsrisiko unter DOAK (gesamt) (Cox-Regression und Propensity Score Matching)
- das niedrigere Blutungsrisiko unter Apixaban (Cox-Regression und Propensity Score Matching)
- das niedrigere Blutungsrisiko unter Rivaroxaban (Propensity Score Matching)
- das erhöhte Mortalitätsrisiko unter Rivaroxaban (Cox-Regression)
Kontrollierte Studie benötigt
Die Autoren resümieren, dass die in den klinischen Studien gezeigten (geringen) Vorteile von DOAK gegenüber Warfarin scheinbar nicht auf Phenprocoumon übertragbar sind. Ein Grund dafür könnte sein, dass laut verschiedenen Studien Patienten unter Phenprocoumon längere Zeit im therapeutischen Bereich (time in therapeutic range [TTR], essenziell für die antikoagulatorische Wirkung) sind als Patienten unter Warfarin. Somit liegt die bessere Wirksamkeit der DOAK gegenüber Warfarin möglichweise gar nicht im Arzneimittel an sich und wird durch Phenprocoumon mit einer besseren TTR ebenso erfüllt.
Die Autoren stellen außerdem infrage, ob die gezeigten signifikanten Unterschiede klinisch relevant sind, da sie nur sehr geringfügig waren. Da aber Real-World-Daten keine so große Aussagekraft haben wie randomisierte klinische Studien, sei eine solche kontrollierte Studie mit DOAK und Phenprocoumon dringend notwendig. Überdies sollte zukünftige Forschung andere Aspekte als Wirksamkeit und Sicherheit berücksichtigen, da diese sich scheinbar kaum unterscheiden. Dies könnten finanzielle Ressourcen, Patientenpräferenzen oder Begleiterkrankungen sein.
Quelle
Warkentin L, et al. Vitamin-K-antagonist phenprocoumon versus direct oral anticoagulants in patients with atrial fibrillation: a real-world analysis of German claims data. BMJ Open 2023;13:e063490. doi:10.1136/bmjopen-2022-063490.