Oseltamivir bei Kindern mit Grippe

In einer aktuellen Studie zeigte Oseltamivir eine gute Wirkung bei Kindern, die mit Grippe im Krankenhaus lagen. Bei Risikogruppen sollte es jedoch nicht als Ersatz für eine Grippeschutzimpfung verstanden werden.

Krankheitslast und Risikogruppen

Die Stärke der Grippewellen und damit auch die dadurch bedingte Zahl der Krankenhauseinweisungen und Todesfälle schwankt von Jahr zu Jahr. Laut Arbeitsgemeinschaft Influenza des Robert Koch-Instituts infizieren sich während der jährlichen Grippewellen etwa 5 bis 20% der deutschen Bevölkerung und 1 bis 7 Mio. Arztbesuche sind auf eine Influenzainfektion zurückzuführen.

Risikofaktoren für schwere Verläufe sind

  • chronische Herzerkrankungen
  • chronische Lungenerkrankungen
  • Stoffwechselerkrankungen
  • Immundefekte
  • Neurologische/neuromuskuläre Erkrankungen
  • schwere Adipositas
  • Schwangerschaft

Ins Krankenhaus müssen vor allem Kleinkinder und alte Menschen, Todesfälle treten vorwiegend in hohen Altersgruppen auf.

Oseltamivir gegen schwere Verläufe bei Kindern

Bei Personen, die nicht zu den Risikogruppen gehören, und Patienten mit leichten Verläufen einer Influenza reicht normalerweise eine symptomatische Behandlung. Bei Verdacht auf einen schweren Verlauf oder bei Vorliegen mehrerer Risikofaktoren, können antivirale Arzneimittel eingesetzt werden.

In einer retrospektiven Studie wurde nun gezeigt, dass auch Kinder von einer frühen Oseltamivir-Therapie profitieren können. Die Daten von 55.799 mit Influenza hospitalisierten Patienten unter 18 Jahren flossen in die Untersuchung ein. Die Oseltamivir-Therapie wurde am Tag der Krankenhausaufnahme oder einen Tag danach begonnen. Primärer Endpunkt der Studie war die Dauer des Krankenhausaufenthaltes. Weitere Endpunkte waren beispielsweise erneute Klinikeinweisungen innerhalb von sieben Tagen oder eine spätere Verlegung auf die Intensivstation (ITS).

Kürzerer Krankenhausaufenthalt, seltener ITS

Die Kinder waren im Median 3,6 Jahre alt und 33.207 der eingeschlossenen Patienten erhielten frühzeitig Oseltamivir. Damit wurde der Krankenhausaufenthalt kürzer (3 vs. 4 Tage), die Kinder mussten seltener wieder aufgenommen werden (3,5% vs. 4,8%) und wurden im Verlauf seltener auf die ITS verlegt (2,4% vs. 5,5%).

Auch in Subgruppenanalysen bezüglich verschiedener Risikofaktoren, z.B. vorliegendes Asthma oder sehr junges Alter, blieben die Unterschiede zwischen den mit Oseltamivir behandelten Kindern und denjenigen ohne solche Therapie bestehen.

Die Autoren ziehen aus diesen Ergebnissen den Schluss, dass der Einsatz von Oseltamivir bei mit Grippe hospitalisierten Kindern empfehlenswert sei.

Kein Ersatz für Grippeimpfung

Oseltamivir ist jedoch kein Ersatz für eine Grippeschutzimpfung – dies wird in der Fachinformation explizit hervorgehoben. Oben genannte Risikogruppen sowie Personen ab 60 Jahre, Bewohner von Alten- und Pflegeheimen sowie Personen, die eine Infektionsquelle für Risikopatienten (Betreuung, gleicher Haushalt) sein können, sollten sich impfen lassen. Das Gleiche gilt für Menschen mit erhöhtem beruflichem Risiko (z.B. medizinisches Personal, Einrichtungen mit umfangreichem Publikumsverkehr).

Diese Empfehlung der STIKO für diese Personengruppen bedeutet jedoch nicht, dass sie anderen Gruppen von einer Impfung abrät. Die Kommission hat nur keine generelle Impfempfehlung ausgesprochen, da die Infektion außerhalb der Risikogruppen meist unkompliziert verläuft.

Wer sich trotzdem impfen lassen möchte, hat jetzt noch die Gelegenheit dazu: Bis Mitte Dezember sollte die Impfung erfolgt sein, um zu Beginn der Grippe-Hochsaison ausreichend geschützt zu sein. Diese begann in den letzten Jahren um den Jahreswechsel herum und es dauert etwa zwei Wochen, bis der Impfschutz aufgebaut ist.

Quelle

Walsh PS, et al. Association of early oseltamivir with improved outcomes in hospitalized children with influenza. 2007-2020. JAMA Pediatr 2022. Published online September 19, doi:10.1001/jamapediatrics.2022.3261.