Patienten mit Restless-Legs-Syndrom (RLS) leiden in Ruhezeiten unter Missempfindungen und Schmerzen in den Beinen, die die Lebensqualität enorm beeinträchtigen können. Die Therapie ist nicht einfach. Eine neue S2k-Leitlinie gibt Behandlern aktualisierte Empfehlungen an die Hand.
Missempfindungen in den Beinen beeinträchtigen die Lebensqualität
Etwa 5 bis 10 % der Bevölkerung leidet an RLS, doch eine Therapie benötigen nur etwa 1 bis 2 %. Typische Symptome von Betroffenen sind Missempfindungen und ein ständiger Drang, die Beine zu bewegen, sobald sie zur Ruhe kommen. Die Folgen sind oft Ein- oder Durchschlafstörungen und erhöhte Tagesmüdigkeit. Betroffene haben zudem ein erhöhtes Risiko für Angsterkrankungen und Depressionen. Die genaue Pathophysiologie dieser neurologischen, sensomotorischen Bewegungsstörung ist bisher nur unvollständig geklärt. Bekannt ist jedoch, dass der Dopamin- und der Eisenmetabolismus eine relevante Rolle spielen.
Die Therapie ist nicht immer einfach. Das liegt unter anderem daran, dass eine zu hoch dosierte dopaminerge Therapie die Symptome sogar verstärken kann.
Neue Leitlinie der DGN und DGSM
Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) haben vor Kurzem ihre Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie des RLS aktualisiert.
Weggefallen ist beispielsweise die Bezeichnung „sekundäres RLS“. Stattdessen wurde ein Konzept eingeführt, nach dem das Krankheitsbild durch Interaktionen zwischen genetischen, sozioökonomischen und Umweltfaktoren sowie Begleiterkrankungen entsteht.
Neu ist zudem, dass die Indikation einer medikamentösen Therapie durch die Beeinträchtigung der Lebens- und Schlafqualität bestimmt werden soll. Eine kontinuierliche Pharmakotherapie sollte so spät wie möglich erfolgen. Außerdem soll ein besonderes Augenmerk auf Arzneimittel gerichtet werden, die ein RLS verstärken können: So wirken beispielsweise Neuroleptika antidopaminerg und können ein vorbestehenden RLS verstärken oder ein solches auslösen. Zudem sollen Begleiterkrankungen frühzeitig diagnostiziert und behandelt werden. Eisenmangel und ein erniedrigter Ferritinspiegel sind mittlerweile als Komorbidität eines RLS bekannt. Der Eisenstoffwechsel (Serum-Ferritin, Transferrinsättigung, Eisen, Eisenbindungskapazität) soll daher sowohl zum Zeitpunkt der Diagnose und bei Therapiebeginn als auch bei einer Verschlechterung der RLS-Symptomatik im Therapieverlauf bestimmt werden.
Therapie: Eisen und Dopaminagonisten erste Wahl
Zur Behandlung des RLS sollte primär Eisen eingesetzt werden: Bei leichtem RLS und niedrigen Eisenspiegeln (Ferritin ≤ 75 µg/l) wird eine orale Eisensubstitution mit 325 mg Eisensulfat zweimal täglich und jeweils 100 mg Vitamin C empfohlen.
Ist der Ferritinspiegel nicht erniedrigt oder die Eisensubstitution allein nicht erfolgreich, sind die Dopaminagonisten Rotigotin, Ropinirol oder Pramipexol Therapie der ersten Wahl – und zwar in der möglichst niedrigsten Dosierung, um die Beschwerden nicht zu verstärken (Augmentation).
Alternativ kann ein Gabapentinoid angewendet werden. Levodopa/Carbidopa hingegen sollen nicht mehr zur kontinuierlichen Therapie eingesetzt werden, sondern nur intermittierend bzw. zu diagnostischen Zwecken (maximale Dosis: 100/25 mg).
Arzneimittel der zweiten Wahl bei Augmentation oder Therapieversagen sind Opioide wie Oxycodon/Naloxon oder andere retardierte Opioide (off Label). Cannabinoide, Magnesium und Benzodiazepine werden nach aktueller Datenlage nicht bei RLS empfohlen.
Außerdem können nichtmedikamentöse Therapien (allein oder zusätzlich) angewendet werden. Evidenz liegt den Leitlinenautoren zufolge für die transkranielle Gleichstromstimulation, Bewegungstraining (z. B. Bettfahrrad während der Dialyse oder Yoga) und Infrarotlicht-Therapie vor. Aufgrund mangelnder Datenlage werden Akupunktur, pneumatische Kompression, endovaskuläre Laserablation, Kryotherapie und Phytotherapie derzeit nicht empfohlen.
RLS bei Kindern und Jugendlichen
Besonders schwierig ist die RLS-Therapie bei Kindern und Jugendlichen: Hier ist bis auf die Eisengabe keines der genannten Arzneimittel zugelassen. Daher haben nichtmedikamentöse Therapieansätze, vor allem Bewegungs- und Physiotherapie, einen besonderen Stellenwert. Grundsätzlich ist auf eine begleitende gute Schlafhygiene zu achten. Dazu gehören unter anderem feste Bettliegezeiten, ein kühler, abgedunkelter und aufgeräumter Schlafraum mit einem eigenen Bett und eingeschränkter Medienkonsum: Eine Stunde vor dem Zubettgehen sollen keine elektronischen Geräte mehr genutzt werden.
Transdermales Rotigotin zeigte sich bei Jugendlichen im Alter von 13 bis 17 Jahren in einer Dosis von 3 mg/24 h in einer prospektiven Multicenter-Studie als wirksam.
Levodopa/Carbidopa wurde in einer Doppelblindstudie als wirksame Monotherapie bei RLS im Alter von 7 bis 12 Jahren untersucht, aufgrund der hohen Augmentationsrate bei Erwachsenen wird ein kontinuierlicher Einsatz jedoch nicht empfohlen.
Andere Arzneimittel, die im Erwachsenenalter zum Einsatz kommen, werden für Kinder und Jugendliche aufgrund der schlechten Datenlage ebenfalls nicht empfohlen.
Quellen
Heidbreder A., Trenkwalder C. et al., Restless Legs Syndrom, S2k-Leitlinie, 2022; Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien (abgerufen am 14.09.2022) (PDF)
Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) vom 5. September 2022 „Neue S2k-Leitlinie zum Restless-Legs-Syndrom (RLS)“