Eine Gentherapie, bei der ein Adeno-assoziiertes-Virus-Vektor das Gen für das Neuropeptid Dynorphin gezielt in Neurone der betroffenen Hirnregion bringt, könnte bei Epilepsie zukünftig gegen das „Gewitter im Kopf“ helfen.
Mit EpiBlok gegen fokale Epilepsie
Charakteristisch für epileptische Anfälle sind exzessive elektrische Entladungen von Neuronen. Die bisherige Pharmakotherapie der fokalen Epilepsie ist oft nicht von Erfolg gekrönt. Auch chirurgische Interventionen, also die Entfernung betroffener Gehirnregionen, bieten meist keine dauerhafte Anfallsfreiheit. Das schränkt die Lebensqualität der Betroffenen stark ein. Um die Behandlung zu verbessern, hat ein Forschungsteam die EpiBlok Therapeutics GmbH gegründet und einen völlig neuen Therapieansatz entwickelt. Ziel ist es, erstmals eine Gentherapie für die Behandlung von Patienten mit pharmakoresistenter Temporallappenepilepsie zu etablieren, durch die anfallshemmende Stoffe direkt im Gehirn produziert und bei Bedarf ausgeschüttet werden.
Drug-on-demand-Gentherapie
Als Vehikel für das Neuropeptid Dynorphin nutzen die Wissenschafler Adeno-assoziierte-Virus(AAV)-Vektoren, weil diese als sicher gelten und bereits für die Gentherapie einiger Krankheiten zugelassen sind. Außerdem ist die Konzentration genau dieses Neuropeptids bei Patienten mit fokaler Epilepsie in der Regel erniedrigt. Nach dem Einbringen von Dynorphin in die betroffenen Gehirnregionen beginnen die Nervenzellen mit der lokalen Produktion und Speicherung des Neuropeptids. Bei hochfrequenter Erregung, wie es beispielsweise bei einem beginnenden epileptischen Anfall der Fall ist, setzen die betroffenen Neurone das Dynorphin bedarfsgerecht frei.
Erfolgreich im Mausmodell
In Tierversuchen konnten die Forscher bereits zeigen, dass das Neuropeptid sowohl örtlich als auch zeitlich begrenzt freigesetzt wird. Die untersuchten Mäuse waren dadurch monatelang frei von epileptischen Anfällen. Zum Vergleich: Größenordnungsmäßig würde das wahrscheinlich mehreren Jahren Anfallsfreiheit beim Menschen entsprechen, obwohl die Übertragbarkeit von Ergebnissen aus Tierversuchen auf Menschen grundsätzlich limitiert ist. Insgesamt war die Gentherapie im Mausmodell jedoch sicher und wirkte bereits nach einmaliger Anwendung epileptischen Anfällen zuverlässig entgegen. Alles Weitere wird sich in der geplanten klinischen Studie zeigen.
Klinische Studie folgt als nächstes
Das Forschungsteam möchte nicht nur die präklinische Entwicklung des neuen Gentherapeutikums vorantreiben und damit den Proof of Concept erbringen, sondern plant bereits die Durchführung ihrer ersten klinischen Studie. Vor dem Start muss der AAV-Vektor aber zunächst in größeren Mengen und in ausreichend hoher Qualität hergestellt sowie als Arzneimittel formuliert werden.
Fazit
Das Forschungsteam hat einen völlig neuen gentherapeutischen Ansatz für die Therapie der fokalen Epilepsie entwickelt. Dabei wird das Dynorphin-Gen mithilfe eines AVV-Vektors direkt in den betroffene Gehinregion eingeschleust. Anschließend wird das Neuropeptid zielgenau an Ort und Stelle von Nervenzellen produziert, gespeichert und bedarfsgerecht freigesetzt. Das Herausragende an dieser Drug-on-demand-Therapie ist, dass die betroffenen Neurone das Dynorphin nur bei Bedarf ausschütten. Auf diese Weise wirkt das Neuropeptid einer exzessiven Erregung entgegen und verhindert so das „Gewitter im Kopf“. Auf die weitere Entwicklung dürften nicht nur Epilepsie-Patienten gespannt sein.
Quellen
- Pressemitteilung des Berlin Institute of Health (BIH), EpiBlok GmbH entwickelt Gentherapie gegen Epilepsie, vom 14. Juni 2022
- Bundesministerium für Bildung und Forschung, GO-Bio, Gentherapie gegen Epilepsie (Projektlaufzeit Phase-I 01.12.2018 bis 30.11.2021)
- SPARK-BIH