Neues Tumormodell aus dem 3D-Drucker

Einem Berliner Forschungsteam ist es gelungen, ein 3D-Tumormodell zu entwickeln und damit die Wirkung und Selektivität von (potenziellen) Onkologika auf Neuroblastom-Metastasen und umliegendes gesundes Gewebe unter realen Bedingungen zu untersuchen.

3D-Druck in der Onkologie

Die 3D-Druck-Technologie macht auch vor der Onkologie nicht Halt. So ist es nun möglich, Tumore im Labor per Knopfdruck einfach auszudrucken. Neben einem handelsüblichen 3D-Drucker und pflanzlicher Biotinte aus Alginat benötigt man dafür menschliche (Tumor-)Zellen. Alle Komponenten werden miteinander vermischt und anschließend auf eine Glasoberfläche gedruckt. Die Herausforderung dabei besteht darin, die Zellen trotz der Krafteinwirkung während des Druckvorgangs nicht zu zerstören. Nachdem das ausgedruckte Gemisch mit einer Calcium-Lösung versetzt wird, härtet es aus – fertig ist das dreidimensionale Tumormodell.

Forschungsteam simuliert Neuroblastom-Metastasen …

Das Neuroblastom ist eine der häufigsten malignen Erkrankungen im Kleinkindalter. Es geht aus veränderten unreifen (embryonalen) Zellen des sympathischen Nervensystems hervor. Neuroblastome sind oft an der Wirbelsäule oder in den Nebennieren lokalisiert, was die chirurgische Entfernung im Falle einer Metastasierung erschwert. Stattdessen kommen eine Bestrahlung und/oder Zytostatika zum Einsatz. Idealerweise schädigen Zytostatika nur den Tumor selbst, nicht jedoch das umliegende gesunde Gewebe – in der Praxis gestaltet sich das jedoch eher schwierig. Da ein Tumor mit seiner Umgebung in ständigem Kontakt steht und mit ihr durch Signalmoleküle kommuniziert, kann sich das Verhalten des Tumors und das der gesunden Zellen verändern. Um zu analysieren, wie der Tumor seine Umgebung gezielt manipuliert und für sich nutzt, benötigte das Forschungsteam beide Zellarten für ein möglichst realistisches Experiment.

… und entwickelt dafür zwei Modelle

Für das erste Modell druckten sie jede Zellart separat als Gitterstruktur aus und legten sie in eine Nährlösung. Dieses Modell verwendeten sie, um die Wirkungen potenzieller Onkologika auf die Zellen zu untersuchen. Die Neuroblastom-Metastasen simulierte das Team in einem zweiten Modell durch den Druck einer deutlich aufwendigeren Struktur aus konzentrischen Ringen. Diese waren im Inneren aus Neuroblastomzellen aufgebaut und die äußeren Ringe aus gesunden Nierenzellen zusammengesetzt. Auch die Versorgung der Zellen mit der Nährlösung war deutlich anspruchsvoller als bei dem ersten Modell, denn eine Lösung musste nun beide Zellarten ernähren.

Test mit Panobinostat und Blasticidin

Für die eigentliche Analyse setzte das Team den spezifisch wirksamen Histon-Deacetylase-Inhibitor Panobinostat sowie das Antibiotikum Blasticidin ein. Um den Einfluss der beiden zytotoxischen Substanzen auf die Zellarten zu detektieren, verwendete die Forschungsgruppe fluoreszierende Marker. Während Panobinostat lediglich die Neuroblastomzellen durch Apoptose-Induktion eliminierte, adressierte Blasticidin als unspezifisches Zellgift auch die gesunden Nierenzellen.

Tumormodell könnte Tierversuche ersetzen

Bekannte Nachteile von Tierversuchen sind – vom Tierleid einmal ganz abgesehen – die eingeschränkte Aussagekraft und Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen. Nur, weil ein potenzielles Onkologikum im Tierversuch aussichtsreich erscheint, heißt das noch lange nicht, dass dies auch in der klinischen Erprobung am Menschen der Fall ist. Möglicherweise ist dies in Zukunft durch das neue 3D-Tumormodell auch nicht mehr notwendig. Denn das Modell ermöglicht es, sowohl den zu untersuchenden Tumor als auch das umliegende gesunde Gewebe aus menschlichen Zellen aufzubauen und die Wirkungen von (potenziellen) Onkologika auf beide Zellarten unter realen Bedingungen zu analysieren. Außerdem können Aussagen über die Interaktion zwischen dem Tumor und seiner Umgebung getroffen werden. Das Modell hat daher das Potenzial, Tierversuche in Zukunft zu reduzieren oder sogar überflüssig zu machen.

Quelle

Wu D, et al. Bioprinted Cancer Model of Neuroblastoma in a Renal Microenvironment as an Efficiently Applicable Drug Testing Platform. Int J Mol Sci 2022;23,122; doi: 10.3390/ijms23010122.