Was wissen wir über das Mikrobiom beim Reizdarm?

Das Mikrobiom kann eine Rolle bei der Entstehung von Krankheiten spielen. Prof. Dr. Thomas Frieling vom Klinikum Krefeld erläuterte bei der Online-Jahrespressekonferenz der DGVS einige bekannte Aspekte zum Thema Mikrobiom und Reizdarm und zeigte außerdem, wo die Evidenzlage eher schwach ist.

Fakten und Fiktion ums Mikrobiom­­

Das Mikrobiom hat eine Bedeutung für die normale körperliche Entwicklung, beispielsweise das Immunsystem, kann aber auch bei der Entstehung von Krankheiten eine Rolle spielen.

Überdies kursieren immer noch Falschinformationen oder gar Mythen rund um das Mikrobiom. So kursiert regelmäßig die Angabe, das menschliche Mikrobiom wiege 1,5 bis 2 Kilogramm, dabei sind es „nur“ etwa 200 Gramm (die Hälfte davon im Darm). Auch gibt es nicht zehnmal mehr Bakterien im menschlichen Körper als eigene Körperzellen – die Zahl ist etwa gleich groß.

Probiotika bleiben individueller Therapieversuch

Leider sind viele Forschungsergebnisse nur Grundlagenwissen und nicht unbedingt auf den Menschen übertragbar.

Wir wissen viel, aber noch viel zu wenig.

So ist nicht klar, wie das menschliche Mikrobiom dahingehend modifizierbar ist, dass es die Gesundheit fördert. Beim Reizdarmsyndrom ist beispielsweise bekannt, dass die Diversität der Bakterien im Darm reduziert ist. Es ist jedoch bisher nicht gelungen, die Organismen zu identifizieren, die für die Entstehung der Erkrankung mit verantwortlich sind bzw. deren Fehlen die Krankheit begünstigt.

So können Probiotika bei Reizdarmsyndrom hilfreich sein. Welche aber die richtigen sind, kann nur nach dem Trial-and-Error-Prinzip ausprobiert werden. Zwar gibt die Leitlinie symptomorientiert einige Empfehlungen, die Datenlage dahinter sei aber sehr dünn, so Frieling.

Keine Evidenz für Stuhluntersuchungen

Stuhlbakterienuntersuchungen sind laut Frieling keine Hilfe für Therapieentscheidungen, Patienten geben nur unnötig Geld aus. Zum einen sind Stuhlverhalten und Probennahme nicht standardisiert, zum anderen spiegelt die Probe, die im Labor ankommt, nicht die Realität im Darm wider (Probe mehrere Tage bis zum Labor unterwegs, Bakterien wachsen weiter).

Auch Stuhltransplantationen sind nur eine begrenzte Therapieoption: Zugelassen sind sie lediglich bei wiederkehrenden Clostridioides-difficile-Infektionen. Bei anderen Darmerkrankungen wie auch dem Reizdarmsyndrom sollten sie nur im Rahmen von Studien eingesetzt werden.

Quelle

Prof. Dr. med. Thomas Frieling, Chefarzt der Chefarzt der Medizinischen Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie, Neurogastroenterologie, Infektiologie, Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin, Helios Klinikum Krefeld. Von Mikrobiom bis Reizdarm. Was ist Fakt und was Fiktion? Online-Jahrespressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten e.V., Dienstag, 5. Juli 2022.