Glykane als Schlüssel für neue Antimykotika?

Ein internationales Forschungsteam hat nun Glykane als die Schleimbestandteile identifiziert, die eine potenziell lebensbedrohliche systemische Infektion mit Candida albicans verhindern könnten. Die Wissenschaftler sehen in ihnen sogar das Potenzial für die Entwicklung neuer Antimykotika.

Candida albicans – nicht immer harmlos

Candida albicans ist ein auf unseren Schleimhäuten heimischer Hefepilz, der normalerweise harmlos ist. Der opportunisitisch pathogene Erreger bereitet erst Probleme, wenn ein mikrobielles Ungleichgewicht zugunsten von C. albicans vorliegt. In seiner infektiösen Form verursacht der Hefepilz neben Mundsoor und Vaginalmykosen auch potenziell lebensbedrohliche systemische Candidosen, die in 40 % der Fälle tödlich verlaufen. Da aktuell nur eine begrenzte Auswahl an Antimykotika zur Verfügung steht und Resistenzen – wie im Bereich der Antibiotika – auf dem Vormarsch sind, bleibt die Behandlung von schwereren systemischen Mykosen eine Herausforderung. Entsprechend hoch ist der Bedarf an neuen wirksamen Antimykotika.

Wie C. albicans systemische Infektionen verursacht

Die Pathomechanismen, die die Entwicklung einer Mykose begünstigen, sind:

  • Filamentierung & Expression von Adhäsinen
  • Biofilmbildung sowie
  • Sekretion hydrolytischer Enzyme, die das unter den Schleimhäuten liegende Epithel schädigen

In seiner apathogenen Form liegt der Hefepilz kugelförmig vor. Wenn sich jedoch die Zusammensetzung des Mikrobioms ändert, kommt es zur intensiven Ausbildung von Geflechten (Filamentierung) und den oben genannten Mykosen. Daneben spielt die Filamentierung eine wichtige Rolle für die Ausbildung von robusten Biofilmen. Letztere sind besonders problematisch, da sie eine intrinsische Resistenz gegen Antimykotika aufweisen und somit therapeutisch nicht angreifbar sind.

Glykane = wirksame Schleimbestandteile

Mucus ist ein komplex zusammengesetzes, viskoelastisches Sekret, das alle Schleimhäute in unseren gesamten Körper auskleidet. Trotz seiner potenziellen Pathogenität kommen wir meistens gut mit dem Hefepilz zurecht. Das deutet darauf hin, dass im Schleim bestimmte Substanzen enthalten sein müssen, die den Erreger in Schach halten. Welche Substanzen das sind und über welche Mechanismen das erfolgt, war lange unbekannt.

Einem internationalen Forschungsteam ist es nun gelungen, die Schleimbestandteile zu identifizieren, die eine C.-albicans-Infektion verhindern können: Glykane. Sie sind der Hauptbestandteil von Mucinen – also den gelbildenden Polymeren, aus denen Mucus hauptsächlich besteht – und unterdrücken bei gesunden Menschen die Filamentierung des Hefepilzes. Das Knifflige daran: Mucine sind aus mehreren hundert verschiedenen Glykanen aufgebaut. Welche nun die wirksamen gegen C. albicans sind, das galt es herauszufinden.

So gingen die Forscher vor

Um zu testen, welche Glykane im Schleim mit C. albicans interagieren, verglichen die Autoren der vorliegenden Studie die molekulare Zusammensetzung verschiedener Schleimproben. Sie isolierten und kategorisierten mehr als 100 Glykane. Anschließend filterten sie die Proben heraus, die die Filamentbildung des Pilzes unterdrücken konnten, und identifizierten die darin enthaltenen Glykane. Sechs Glykan-Typen waren besonders vielversprechend. Um deren Eigenschaften näher untersuchen zu können, entwickelten die Wissenschaftler eine Methode, um die Glykane in der engeren Auswahl künstlich zu synthetisieren. Schlussendlich konnten sie die beobachteten Wirkungen dieser Glykane bestätigen. Das Forschungsteam gehört zu einer der wenigen Gruppen weltweit, denen das gelungen ist. Derzeit sucht das Team nach Möglichkeiten, Glykane applizierbar zu machen und in verschiedene Körperregionen zu bringen.

Fazit

Lange Zeit bestand die Annahme, dass Glykane „nur“ ein viskostitätserhöhender Bestandteil des Mucus und für die schleimige Konsistenz verantwortlich sind. Die Ergebnisse der Studie haben aber gezeigt, dass sie weit mehr als das sind. Die identifizierten Glykane konnten die Virulenz von C. albicans unterdrücken und damit seine Pathogenität abschwächen. Sie sind ein interessanter Angriffspunkt für die Entwicklung neuer, dringend erforderlicher Antimykotika und könnten den Weg ebnen, problematische Krankheitserreger wie C. albicans zu bekämpfen. Der besondere Charme bei diesem therapeutischen Ansatz besteht den Autoren zufolge darin, dass ein Eingriff in das Mikrobiom nicht erfolgt und Resistenzentwicklungen daher ausbleiben.

Quelle

Takagi J, et al. Mucin O-glycans are natural inhibitors of Candida albicans pathogenicity. Nature Chemical Biology 2022; doi 10.1038/s41589-022-01035-1.