Mit dem „Candy Code“ gegen Arzneimittelfälschungen

Amerikanische Wissenschaftlicher entwickelten eine ziemlich kreative Methode, um Arzneimittelfälschern das Handwerk zu legen: Indem sie feste Arzneiformen mit bunten Zuckerkügelchen bestreuten, erzeugten sie einzigartige Muster auf den Tabletten, die praktisch nicht imitiert werden können und auch nach starker mechanischer Beanspruchung identifizierbar bleiben.

Globale Herausforderung

Arzneimittelfälschungen sind in erster Linie eine Gefahr für die Gesundheit von Patienten weltweit. Daneben führen sie jedes Jahr zu einem erheblichen finanziellen Schaden in Höhe von schätzungsweise 200 Milliarden Dollar. Besonders häufig betroffen sind Entwicklungsländer, in denen Angaben der WHO zufolge eines von zehn Arzneimitteln gefälscht ist.

Rechtliche Grundlagen

Nach der EU-Fälschungsschutz-Richtlinie müssen Arzneimittel eindeutig identifizierbar sein. Erreicht werden soll dieses Ziel durch zwei zusätzliche Sicherheitsmerkmale auf der Arzneimittelverpackung: dem Data-Matrix-Code und dem Erstöffnungsschutz (Originalitätsverschluss). Ersterer enthält Informationen über die Charge und das Verfalldatum, die Seriennummer sowie den Produktcode, während Letzterer Hinweise über (k)eine vorherige Manipulation liefert. Die Echtheitsprüfung von verifizierungspflichtigen Arzneimitteln vor der Abgabe an Patienten erfolgt in deutschen Apotheken bekanntlich durch securPharm, das in der Vergangenheit vor allem durch seine Fehleranfälligkeit aufgefallen ist.

Zuckersüßer Fälschungsschutz

Ein neuer, innovativer und mitunter zuckersüßer Ansatz aus den USA könnte deutlich mehr Spaß machen: Das Verzieren von festen Arzneiformen mit knallbunten Zuckerkügelchen (Nonpareilles) – die normalerweise für die Dekoration von Gebäck verwendet werden – führt zu einzigartigen, bunten Mustern. Diese „Candy Codes“ könnten die kriminellen Absichten von Arzneimittelfälschern deutlich erschweren.

Wie sicher ist der Candy Code?

Die Autoren der vorliegenden Studie errechneten die Wahrscheinlichkeit, mit der diese Candy Codes wiederholt werden könnten. Das Ergebnis: Statistisch gesehen müssten 1017 Schokoladenplätzchen dekoriert werden, damit sich ein Muster wiederholt. Oder anders gesagt: Ein pharmazeutischer Hersteller könnte mindestens 1017 „candy coded pills“ herstellen – das wären 41 Millionen für jeden Menschen auf dieser Erde – und wäre trotzdem in der Lage, jede einzelne Tablette eindeutig zu identifizieren. Für Arzneimittelfälscher wäre die Imitation der Muster eine praktisch unlösbare, aber zugegebenermaßen sehr kreative (Fleiß-)Aufgabe.

So funktioniert der Candy Code

  1. Feste Arzneiformen wie (Film-)Tabletten oder Kapseln werden sofort nach der Herstellung zufällig mit den bunten Zuckerkügelchen bestreut. Sie tragen dadurch ein unverwechselbares Muster, weil die Position und Farbe jedes einzelnen Kügelchens bekannt sind.
  2. Von jeder „Candy-codierten Pille“ könnten Hersteller ein Foto aufnehmen und in eine Datenbank einpflegen. Diese enthält die Candy Codes aller hergestellten Oralia.
  3. Patienten, die das Arzneimittel erhalten, könnten ebenso ein Foto machen und in die Datenbank hochladen. Anschließend würde eine Software abgleichen, ob beide Fotos hinsichtlich des Nonpareilles-Musters übereinstimmen. Auf diese Weise hergestellte Tabletten könnten vor der Einnahme leicht und eindeutig von anderen unterschieden werden.

Die Wissenschaftler überprüften zusätzlich, ob die Tabletten auch nach starker mechanischer Beanspruchung eindeutig unterscheidbar sind. Und tatsächlich: Die korrekte Identifizierung war auch dann noch möglich, wenn bereits einzelne Zuckerkügelchen abgefallen waren.

Einfach herstellbar, aber schwer zu fälschen

Die in der Studie vorgestellte Methode ist ein innovativer und gleichermaßen kreativer Ansatz, um die Arzneimittelsicherheit zu erhöhen. Zudem könnte sie ohne größeren Aufwand relativ einfach in bestehende Herstellungsprozesse integriert werden. Die Nonpareilles sind klein und kostengünstig, außerdem handelt es sich um unproblematische Hilfsstoffe in der Arzneimittelherstellung – beispielsweise im Gegensatz zu Titandioxid. Die weißen (Nano-)Partikel sind zwar weit verbreitet, stehen aber immer wieder in der Kritik. Die erzeugten Muster sind unverwechselbar und sicher, denn es ist äußerst unwahrscheinlich, dass sie durch Zufall jemals reproduzierbar sind. Candy Codes sind insgesamt ein rundum gelungener, optisch ansprechender und zudem essbarer Fälschungsschutz, der zukünftig eine wichtige Rolle im Kampf gegen illegale Arzneimittellieferketten spielen könnte.

Quelle

Grover WH, et al. CandyCodes: simple universally unique edible identifiers for confirming the authenticity of pharmaceuticals. Nature 2022;12:7452; doi: 10.1038/s41598-022-11234-4.